Nun auch noch eine Blasphemie-Debatte

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Auseinandersetzung um Religion in der Gesellschaft geht in diesem Sommer von Deutschland aus: Nach der Beschneidung folgt das Thema Blasphemie.

Deutschland ist zurzeit ein mehrfacher Ausgangspunkt öffentlicher Religionsdebatten. Nach den Aufregungen rund ums Beschneidungsurteil eines Kölner Gerichts soll im Herbst der Bundestag dazu ein Gesetz verabschieden. Die Diskussion dazu ist somit noch lange nicht beendet.

Nun findet beim Nachbarn auch eine Blasphemie-Debatte statt. Zuletzt hatte der katholische Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, ein entsprechendes gesetzliches Verbot gefordert: "Wer die Seele der Gläubigen mit Spott und Hohn verletzt, der muss in die Schranken gewiesen und gegenbenefalls auch bestraft werden.“ Gegen "heilige Personen, heilige Schriften, Gottesdienste und Gebete sowie heilige Gegenstände und Geräte aller Religionen“ dürfe kein Spott und Hohn zugelassen werden, so Schick.

Quereln um "Titanic“-Cover

Die erzbischöfliche Wortmeldung ist Teil jener Debatte, die im Juli durch den Cover des Satire-Magazins Titanic ausgelöst wurde. Dieses hatte - in Anspielung auf die Vatileaks-Affäre unter der Überschrift "Die undichte Stelle ist gefunden“, Benedikt XVI. mit einem gelben und braunen Fleck auf dem weißen Talar abgebildet. Der Vatikan erwirkte daraufhin beim Hamburger Landgericht eine einstweilige Verfügung, nach der das Titelbild nicht mehr verbreitet werden darf. Titanic revanchierte sich in der nächsten Ausgabe mit einem Cover, von dem erneut Benedikt XVI. entgegenlacht - mit farbigen Kussmund- und Hand-Abdrucken auf dem Talar sowie dem Text: "Der Papst bleibt sauber!“

Dass es sich bei der Auseinandersetzung ums Satire-Magazin um Blasphemie handelt, wird auch von kirchlicher Seite nicht unbedingt bejaht. So hatte Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der neue Chef der römischen Glaubenskongregation, gemeint, im Fall von Titanic gehe es nicht um religiöse Gefühle, sondern um bürgerliche Rechte: Auch Würdenträger - "vom Papst bis zu jedem Priester“ - hätten Anspruch darauf, "dass sie in ihrer Würde geachtet werden“. Müller argumentierte, das auch im deutschen Grundgesetz verbriefte Recht auf Menschenwürde sei im gegenständlichen Fall "auf schwere Weise verletzt worden“.

Wie das obige Beispiel des Bamberger Erzbischofs aber zeigt, dreht sich die Debatte aber sehr wohl in Richtung Blasphemie : Schick forderte konkret, dass die "Person Jesu Christi, Gott Vater, Maria, die Heiligen, die Hostie des Altarsakraments, die sakralen Gegenstände wie Kelche und Monstranzen, auch die Kirchengebäude und Prozessionen von unserem Staat geschützt werden“.

Die Reaktionen auf diese Intervention blieben eher verhalten. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx meinte etwa, man müsse für eine Gesetzesänderung zuerst entsprechende Mehrheiten finden, und differenzierte: Es gehe in der Debatte um die Verletzung religiöser Gefühle der Gläubigen und nicht um Gott, denn, so Marx: "Gott kann man gar nicht beleidigen.“ Auch der deutsche Zentralrat der Muslime reagierte skeptisch: Dessen Vorsitzender Ayam Mazyek erklärte, der Schutz freier Religionsausübung im deutschen grundgesetz erscheine ihm ausreichend. Er teile zwar Schicks Besorgnis, aber es gehe darum, dass der Schutz freier Religionsausübung "in der Rechtsprechung konsequent umgesetzt“ werde.

Mosebachs Zensur-Vorstoß

Die Beschneidungsdiskussion hat verdeckt, dass die Blasphemiedebatte in Deutschland schon vor den Titanic-Querelen ausgebrochen ist. Denn bereits Mitte Juni hatte der deutsche Schriftsteller Martin Mosebach, der in denletzen Jahren auch durch sein Eintreten für den vorkonziliaren Messritus präsent war, in einem Essay für die Berliner Zeitung, argumentiert, es diene der Kunst und dem sozialen Klima, wenn die Blasphemie wieder strafbar werde. Mosebach redet hier gar einer Rückkehr der Zensur das Wort.

Widerstand gegen den Vorstoß von Büchner-Preisträger Mosebach regte sich sogleich: So ernannte Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, Mosebach gegenüber dem Deutschlandradio darob zum "religiösen Eiferer katholischer Prägung“. Und die Kulturbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Petra Bahr sprach sich dort gegen Mosebach aus: "Es gibt eine ganz enge Geschwisterschaft zwischen Religionsfreiheit und Kunstfreiheit, und auch wenn die sich wechselseitig ärgern, muss man immer daran denken, dass das Freiheiten sind, die ihre gleichen Wurzeln haben.“ Wer die Freiheit der Künstler bekämpfe, so Bahr, bekämpfe auch immer die Freiheit der Religion: "Das zeigen alle totalitären Regime.“ (Vgl. Kommentar, Seite 8).

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