Nur eine Unterhose voller Fürze

Werbung
Werbung
Werbung

Nun feierte auch das Burgtheater den siebzigsten Geburtstag von Peter Turrini. Christian Stückl inszeniert das autobiografisch gefärbte Stück "Bei Einbruch der Dunkelheit“ als Groteske.

Dass das Burgtheater ausgerechnet das 2006 als Auftragswerk des Kärntner Landestheater entstandene Stück "Bei Einbruch der Dunkelheit“ zu Peter Turrinis Geburtstagsinszenierung wieder hervorgeholt hat, mag dem Umstand geschuldet sein, dass darin autobiografische Erlebnisse des Jubilars aus den späten 1950er-Jahren verarbeitet werden.

Jenseits des Treibens auf dem Tonhof in Maria Saal, wo das Mäzenatenehepaar Lampersberg damals Künstler, Musiker und Literaten (unter ihnen etwa Thomas Bernhard) um sich scharte und ein dicklicher 14-jähriger Junge aus dem Dorf namens Peter Turrini nicht nur Zeuge, sondern auch Gegenstand von Hohn und Spott wurde, rechtfertigen weder die literarische Qualität noch die gesellschaftliche Relevanz eine erneute Aufführung. Dumm also, dass auch der zum ersten Mal am Burgtheater inszenierende Intendant des Münchner Volkstheaters und 2002 Regisseur des Salzburger "Jedermann“, Christian Stückl, sich nicht für die persönlichen Hintergründe, die dem Stück zu Grunde liegen, interessiert. Er versammelt seine bizarre Gesellschaft um eine dunkle Tafel in einem bunkerartigen aschgrauen Raum (Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier). Mit den auffälligen Frisuren wirkt sie wie eine Gesellschaft der Trolle. Welch ein Fest für die Frisöre!

Verbales Gezänke

Das unbestrittene Epizentrum dieser infernalischen Truppe ist die steil frisierte Gräfin in schrillem Outfit (Barbara Petritsch), die einsame Herrin des Hauses, die unentwegt behaupten muss, noch nicht dement zu sein, was sie auch nötig hat, denn die Tochter Claire, von der Mutter als "Idiotin des Positiven“ beschimpft, bastelt heimlich an einem Entmündigungsverfahren gegen sie. Mehr aus Langeweile denn aus wirklicher Bösartigkeit hetzt die spitzzüngige Alte die Gästeschar aufeinander und vor allem auf den "dicken Jungen aus dem Dorf“. Der Komponist, der Maler und auch der Lyriker wiederum kommen der Aufforderung, Gift und Galle zu spritzen oder einander gar tätlich an die Wäsche zu gehen, nur zu gerne nach.

So entspinnt sich ein (nicht nur) verbales Gezänke, das mal die Körperausscheidungen, das Geschlecht, die Nazis, die Kirche, Kärnten und natürlich die Kunst zum Gegenstand hat. Man hat diese nur lose aneinandergereihten Kunst-Exkurse, österreichfeindlichen und blasphemischen Ausschweifungen auch bei Turrini schon schärfer und böser gelesen. Sein Ziel, das Abgründige des Menschen als Konversation vorzuführen, wird auch dadurch nicht fassbarer, dass Stückl die "Verquickung von Ausdenkung und Realität“ zur Groteske aufbläst.

Daher wirkt dieser Geburtstagsgruß ein wenig wie Zuckerwatte: Solange man drin ist, spürt man ein unbestimmtes Prickeln (für das vor allem die Schauspieler verantwortlich zu machen sind), kaum hat man die 1 Stunde 50 hinter sich gebracht, ist die Sache auch schon gegessen, ohne dass man satt geworden wäre. Wäre "Bei Einbruch der Dunkelheit“ jenes Spiel, auf das die Figuren im Stück nach Einbruch der Dunkelheit vergeblich warten, so können wir getrost sagen, sie haben nichts verpasst.

Bei Einbruch der Dunkelheit

Burgtheater: 21., 25. November, 2., 11., 15., 25., 30. Dezember

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung