Ober, (k)einen G'spritzten!

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Es muss sein. Stets peinlich darauf bedacht, niemanden zu kränken und nirgends anzuecken, kann ich heute nicht umhin, mir Feinde zu machen, möglicherweise sogar Morddrohungen einzuhandeln. Aber ich kann nichts dafür. Ich kann ihm nun einmal wenig abgewinnen. Ihm, dem die Liebe der Österreicher gehört. Zumindest der Ostösterreicher. Ihm, der jetzt so eifrig mit einer eigenen PR-Aktion beworben wird. Ihm - dem G'spritzten. Ich liebe den Wein und sehe ganz einfach nicht ein, warum ich ihn verdünnen soll. Verwässern. Pantschen. Beim G'spritzten schmeckt man das Wasser und nicht den Wein. Einen G'spritzten im Mund herumgluckern lassen und vor andächtig lauschendem Publikum feststellen, er schmecke nach Feuerstein oder Stahl? Das traut sich nicht einmal einer, der wirklich weiß, wie Feuerstein schmeckt, ich habe allerdings noch keinen getroffen, und mit Stahl habe ich mich nur in den Finger geschnitten und Blut geleckt.

Aber zugegeben: Wenn es sehr heiß ist, so um die 40 Krügeln im Schatten, und wenn alle ihren G'spritzten vor sich stehen haben, dann spreche selbst ich ihm dann und wann zu. Einfach, um Mensch unter Menschen zu sein. G'spritzten-Trinker unter G'spritzten-Trinkern, mitunter kommt man sich ja fast wie ein weißer Rabe vor, ich meine ein Albino, so ein Viech, welches die anderen tothacken, wenn man keinen G'spritzten trinkt. Fast wie ein Nichttrinker, und das ist ja hierzulande wirklich das Ärgste, was man seinen Nachbarn, Mitmenschen, Mitbürgern antun kann. Aber in einer seriösen, intellektuellen, hochstehenden Zeitung wird man doch noch fragen dürfen: Warum verwässern die Leute ihren Wein nicht nur im Hochsommer bei besagten 40 Krügeln im Schatten, sondern auch im Frühling, im Herbst und manche sogar im Winter? Wenn ich soviel Durscht habe, dass ich mich besaufen müsst', um ihn nur mit Wein zu löschen ... Ich weiß nicht, ob ich es gestehen kann. Ich weiß nicht, ob ich mich damit nicht für alle Zeiten disqualifiziere. Ob ich danach nicht so angeschaut werde wie einer, der sich die Serviette in den Kragen stopft oder im Steirereck mit der Gabel in Zähnen stochert: Also, ich trinke Wasser zum Wein! Zum Wein, nicht im Wein. Nur gegen den primitiven Durscht. Der Wein ist Genussmittel, Nahrungsmittel, Medizin, alles mögliche, aber auf jeden Fall zu schade, um ihn zu verwässern wie die alten Griechen, oder waren es die Römer, die ja bekanntlich nur zu ganz besonderen Anlässen sagten: "Schatzi, heut schenk mir ein vom Unvermischten!" Das Schatzi musste bekanntlich nicht immer ein weibliches sein.

Zugegeben, es gibt auch Weine, um die nicht schade ist, wenn man sie verdünnt. Aber zwei G'spritzte mit so einem kosten dasselbe wie ein Glasel, das sich ungespritzt zu trinken lohnt, also bitte. Es gibt demnach also nur ein wirklich ernstzunehmendes Argument für den G'spritzten: Auch die Weine, die man lieber spritzt, haben ein Recht, getrunken zu werden. Was soll denn sonst aus ihnen werden. Sollen wir sie verkommen lassen? Können sie etwas dafür, dass sie so sind, wie sie sind? Haben sie nicht genau so ein Lebensrecht wie die weniger schönen Menschen, in ihrem Fall muss es heißen: Getrunkenwerdensrecht? Gut also, wenn ich mich denn opfern muss, wenn ich damit eine gute Tat setze, einen kleinen Brünnerstrassler seiner wahren Bestimmung zuführe, dann will ich mich nicht zieren. Ober, einen G'spritzten!

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