Obszöne Frau Jelinek

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Der Literaturnobelpreis für Elfriede Jelinek hat einen Run auf ihre Werke ausgelöst. Wer sich bisher mit der Autorin der "Klavierspielerin" oder des "Sportstücks" schwer getan hat, fühlt sich nun bemüßigt, etwas für seine Bildung zu tun, um mitreden zu können. Dabei ist nicht auszuschließen, dass etliche der nun erworbenen Bände zwar Bücherregale zieren, aber weitgehend ungelesen bleiben werden.

Dass damit keine bequeme, sondern eine zu ihrer Heimat in geistiger Opposition lebende Persönlichkeit geehrt wird, ist nichts Neues. Das traf zum Beispiel auch auf die Russen Boris Pasternak und Alexander Solschenizyn zu, die ihre Nobelpreise auf Druck des sowjetischen Regimes gar nicht entgegennehmen durften. Der Stifter der Nobelpreise, der schwedische Ingenieur Alfred Nobel, hat bekanntlich das Dynamit erfunden. Darum darf und soll auch eine Nobelpreisvergabe ruhig geistigen Sprengstoff bieten.

Entrüstet über die Preisverleihung an Elfriede Jelinek ist man offenbar im Vatikan. Die dortige Tageszeitung "L'Osservatore Romano" warf Jelinek vor, sie setze auf "ausufernde Obszönität, die in absolutem Nihilismus münde". Der Verfasser des Artikels hat sich offenbar in Jelineks Texte gründlich eingelesen, weiß er doch, dass darin eine "scharfe Unannehmlichkeit des Obszönen" vorkommt und eine Frauenwelt "mit Szenen roher Sexualität, die nicht auf die Emanzipierung der Frau vom Erotismus hindeuten, sondern Sex und Pathologie, Macht und Gewalt verbinden".

Der subjektiv vermutlich völlig ehrlich gemeinte Kommentar aus Rom dürfte eine seiner Absicht entgegengesetzte Wirkung haben. Sollten vorher noch gewisse Zweifel bestanden haben, ob Elfriede Jelineks Bücher zu Bestsellern werden, jetzt ist ein anhaltender Ansturm auf ihre Werke gesichert.

Der Autor ist Redaktionsmitglied der "Wiener Zeitung".

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