Odysseus hat keine Angst vor Feministinnen

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Michael Köhlmeier entführt mit dem Roman "Kalypso" den Macho in ein antikes Exil.

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Michael Köhlmeier entführt mit dem Roman "Kalypso" den Macho in ein antikes Exil.

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Das "Literarische Quartett" hat manchmal doch recht. Michael Köhlmeiers "Kalypso" ist weit davon entfernt, ein großer Wurf zu sein, ist eher ein Nebenprodukt des langfristigen Zusammenlebens mit der griechischen Götterwelt, mit der dieser Autor uns in seinen Erzählungen im Radio eindrucksvoll vertraut gemacht hat.

Köhlmeier ist zur Zeit auch als Phänomen gekonnter literarischer Public Relations zu bewundern. Köhlmeier, wohin man hört (Jetzt lieferbar auf CD!), wohin man sieht (im Film und im Kulturjournal) und wohin man geht (in jeder Buchhandlung). Seine Bücher erscheinen im Dreimonatsrhythmus. Die Präsenz dieses Mannes ist beinahe beängstigend. Doch vermarktet kann nur ein gutes Produkt werden. Oder der Autor trifft den Nerv einer Gesellschaft, bedient versteckte und offene Sehnsüchte.

Nicht jedes Buch kann ein großer Wurf sein, vielen würde man dies auch nicht vorwerfen, es sei denn, sie spekulieren damit, sie deuten an. In diesem Sinne ist Köhlmeier ein Meister des Beginnens, des Ausholens: "Ich - so erzählte Odysseus bei Gelegenheit, von der wir später berichten werden - stand an der Pforte des Hades..." Und wir stehen mit ihm und riechen beinahe das Schafsblut, das in die Rinne gegossen wird, um die Toten anzulocken.

Jedes Kapitel beginnt er mit einer weit ausholenden Geste. Für eine packende Geschichte in der Länge von 20 Minuten reicht es, doch ein Roman besteht eben leider nicht nur aus Anfängen. Dazwischen bemerken wir zuweilen ein hilfloses Gezappel.

Und die Sehnsüchte? Welche geheimen Wünsche bedient der Autor? Wie wir wissen, waren die griechischen Götter, Zeus voran, geile Böcke. Und mit Odysseus, den wir begleiten, dürfen wir Männer endlich die Frauen so ansehen, wie es uns die "political correctness" mittlerweile verwehrt. Aber da es zu Odysseus' Zeiten keine Feministinnen gab, darf auch Köhlmeier die Sau rauslassen. Es ist ja nur Odysseus, der dem "federnden Hintern im weißen Badeanzug" der Aphaia nachschaut und sich fragt: "Was mußte jemand von sich selbst halten, der solche Hüften, solche Schenkel, einen solchen Arsch als absolut unanzweifelbares Eigentum besaß."

Weit haben wir es gebracht, bis in die Antike müssen Männer fliehen, um ihrem Trieb frönen zu können.

Kalypso. Roman von Michael Köhlmeier Piper Verlag, München Zürich 1997 441 Seiten, geb., öS 350,

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