Ungeachtet seiner Verfassung als elektronisches Medium interpretiert der wichtigste Kulturträger unseres Landes (© Gerd Bacher) Nachhaltigkeit vorzugsweise schriftlich. In diesen Beiträgen zur Volksbildung geht es dem ORF anscheinend auch um Ausgewogenheit zwischen den von TIMSS und PISA gebeutelten Fächern Mathematik und Deutsch. Denn nach langer Zahlendominanz durch Finanzierungslöcher und Sparpläne ist nun wieder Er-Zählen gefragt. Das Unternehmen präsentiert seinen ersten Public-Value-Bericht. Angesichts einer öffentlich-rechtlichen Konstruktion verwundert vor allem der Premieren-Status dieses Werks. Offenbar sah der ORF bisher keine Notwendigkeit dazu. Dafür dienten ihm Geschäftsbericht, Marktanteil und Reichweite.
Exakt aus dieser kommerziellen Orientierung resultieren die heutigen Probleme. Seit Gerhard Zeiler ihn ab 1994 auf Quote getrimmt hat, argumentiert der ORF kaum noch inhaltlich. Denn das fällt einem Unternehmen schwer, dessen Kanal ORF 1 den geringsten fernsehpublizistischen Anteil aller deutschsprachigen Vollprogramme aufweist. Dieses Manko ist nicht erst seit der entsprechenden Studie im Auftrag der Rundfunkaufsicht RTR klar. Es brauchte allerdings eineinhalb Jahrzehnte nach Start der Kommerzialisierungs-Strategie, um die größte Schwachstelle offiziell aufzuzeigen.
Die hauseigene Reaktion des ORF bleibt unterdessen in fatalem Selbstverständnis verhangen. Der Public-Value-Bericht ist lediglich die Vorstufe zu einem Finanzierungshandbuch, das 2009 erscheinen soll. Wie der ORF seinen Auftrag wirklich interpretiert, erfahren wir am besten in den Tunneln unserer Autobahnen: Dort hat das öffentlich-rechtliche Feigenblatt Ö1 Pause und es läuft nur noch die Dudelfunk-Benchmark aller Privatsender, die Cash-Cow (© Gerhard Weis) vom Küniglberg: Ö3. Das zerstört jeden Glauben an die Selbstheilungskräfte des wichtigsten Kulturträgers unseres Landes.
Der Autor ist Medienberater, Politikanalyst und Publizist .
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