Öde 2010er-Jahre statt Roaring Twenties

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E in schillerndes Porträt der Wilden Zwanziger Jahre, die tragische Geschichte eines wahrhaft Liebenden in einer oberflächlichen, von Genusssucht und Langeweile geprägten Gesellschaft: "Der Große Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald ist ein Klassiker der US-amerikanischen, nein, der Weltliteratur. Wenn dieses Werk mit großem Budget und Starbesetzung in Hollywood verfilmt wird, sind die Erwartungen groß. Leider werden sie in diesem Fall gewaltig enttäuscht. Denn die mittlerweile fünfte Verfilmung des Stoffes, bei der Baz Luhrmann für die Regie verantwortlich zeichnet, ist weder ein gelungener Film, noch wird sie der literarischen Vorlage gerecht.

Es beginnt schon damit, dass dieser "Große Gatsby“ kaum etwas mit den "Roaring Twenties“ zu tun hat. Sicher, die eleganten Anzüge und die kurzen Kleider, die strengen Scheitel und die Bubikopf-Frisuren, die opulenten Art-Deco-Interieurs sind ziemlich perfekt, doch anstatt dem Publikum von heute eine vergangene Ära mit anderen Sitten und Gebräuchen begreiflich zu machen, bekommt die Gegenwart den Look der Zwanziger übergestülpt. Niemand sagte damals "cool“ und es gab auch keine Gangsta-Rapper, die mit drei Girls im Arm durch New York cruisen. Als Musik ertönt konsequenterweise kein zeitgenössischer Jazz, sondern moderne Dance Music und Hip-Hop - ein Soundtrack wie die Faust aufs Auge. Es fehlt auch jede kritische Distanz zum geschilderten Zeitgeist. Der Film begreift die vielbeschworene Dekadenz allein als Ausschweifung und übersieht den Aspekt des Abstiegs, des Verfalls. Kein Hinweis darauf, dass historisch auf die große Sause ein noch größerer Kater folgte. Stattdessen werden die rauschenden Partys und die rasenden Fahrten in chromblitzenden Automobilen in überwältigendem 3D in Szene gesetzt.

Überwältigendes 3D - und doch gescheitert

Der Film scheitert auch daran, dass die Hauptfigur nicht jene Faszination ausstrahlt, die der Titel verspricht. Was bloß findet der angehende Schriftsteller Nick Carraway (Tobey Maguire) an Gatsby so großartig, dass er dessen Charisma verfällt? Warum ist der Erzähler plötzlich von der New Yorker High Society so abgestoßen, dass er zum Alkoholiker wird und sich erst durch Niederschrift seiner Erlebnisse aus der Depression befreien kann? Im Roman ist das nachvollziehbar: Da hat sich einer aus dem Nichts hochgearbeitet, ist zu sagenhaftem Reichtum gekommen, und das alles nur, um die Liebe einer Frau wiederzugewinnen. Seine Liebe ist so groß, dass er nicht zu erkennen vermag, dass diese blasse und blasierte Person seiner in Wahrheit nicht wert ist. Schlimmer noch: Er stirbt schließlich sogar für sie. Das enorme Leid, die grenzenlose Sehnsucht des Selfmade-Man Jay Gatsby ist bei Leonardo DiCaprio, der eigentlich über das notwendige schauspielerische Format verfügt, nur ansatzweise sichtbar. Komplett missraten ist die Figur seiner Geliebten Daisy (Carey Mulligan, eigentlich auch eine tolle Schauspielerin): Statt einer verwöhnten, gefühllosen Tussi, die schließlich Gatsbys gewaltsamen Tod billigend in Kauf nimmt, ist hier eine sympathische, durchaus zu Emotionen fähige Frau zu sehen. Umso unverständlicher bleibt im Film ihre Entscheidung, dem ungehobelten und untreuen Ehemann den Vorzug gegenüber dem aufopferungsvollen Geliebten zu geben.

Für Freunde des Blockbuster-Stils enthält "Der Große Gatsby“ zu wenig Action, zu wenig Sex und zuviel Gelaber. Freunde anspruchsvollen Kinos werden schmerzlich den Geist der literarischen Vorlage vermissen und mit diesem klebrigen Popcorn-Spektakel nichts anfangen können. Eine vergebene Chance und eine schwere Beschädigung der Karrieren großer Hollywood-Schauspieler.

Der große Gatsby (The Great Gatsby)

USA 2013. Regie: Baz Luhrmann.

Mit Leonardo DiCaprio, Tobey Maguire, Carey Mulligan, Warner. 143 Min.

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