Öffentlich-rechtliche Demontage?

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Der ORF ist ein wirtschaftlich zu führendes Kulturunternehmen. Für eine Umwandlung in eine AG gibt es keinen Grund.

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Der ORF ist ein wirtschaftlich zu führendes Kulturunternehmen. Für eine Umwandlung in eine AG gibt es keinen Grund.

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Seit zirka zwei Jahren wird zwischen den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ geheim über eine ORF-Reform verhandelt. Der ORF soll insbesondere auf Wunsch der SPÖ in eine AG umgewandelt werden. Während bei Gesetzesvorhaben in der Regel auch die Oppositionsparteien und die betroffenen gesellschaftlichen Gruppierungen in die Verhandlungsgespräche eingebunden werden, ist in diesem Fall die Öffentlichkeit auf Informationen über einzelne Nicht-Ergebnisse, die vom jeweils frustrierten Verhandlungspartner an die Zeitungen weitergegeben werden, angewiesen. Bei den Regierungsparteien hat sich offensichtlich noch immer nicht das Bewußtsein durchgesetzt, daß es sich um einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk handelt. So scheitert eine längst fällige ORF-Reform am kleinlichen Parteidenken der Koalitionspartner, die sich über die Aufteilung der Anteile einer AG und somit ihren Einfluß nicht einigen können.

Der ORF ist eine durch öffentliches Recht geschaffene juristische Person sui generis. Alle gesetzlichen Bestimmungen, die eine AG zum Inhalt hat, können auch im Rundfunkgesetz umgesetzt werden. Es gibt daher keinen triftigen Grund, den ORF in eine AG umzuwandeln. Eine Aktiengesellschaft bedeutet außerdem einen weiteren Schritt in Richtung Privatisierung, und es wird bereits jetzt von Fachleuten in Europa das Recht einer AG, Gebühren einzuheben, in Frage gestellt. Dem ORF wäre daher eher geholfen, wenn sich die Regierung auf eine rasche Reform des Rundfunkgesetzes einigen würde.

Der österreichische Rundfunk wurde seinerzeit als Monopolbetrieb geschaffen. In der Zwischenzeit nähert sich der Versorgungsgrad der österreichischen Haushalte mit deutschsprachigen kommerziell betriebenen ausländischen Fernsehprogrammen der 70-Prozent-Marke. Außerdem sind Lizenzen an rund 50 Privatradios erteilt worden. Dies hat nicht nur zu einer Änderung im Publikumsverhalten, sondern auch zu geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen geführt, sodaß es unerläßlich ist, durch Schaffung effizienter Strukturen Kosteneinsparungen zu ermöglichen und die Aufgabenbereiche den geänderten medialen Verhältnissen anzupassen. Der Unternehmenszweck des derzeit geltenden Rundfunkgesetzes ist auf "die Herstellung und Sendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen" beschränkt. Die Kommunikation der Zukunft ist aber durch Multimedialität geprägt. Wenn der ORF in diesem neuen Medienzeitalter weiterbestehen soll, muß man ihm die Möglichkeit schaffen, sich zu einem multimedial aktiven Kommunikationsunternehmen zu entwickeln.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat als Kommunikationsunternehmen zu dienen, das für eine Grundversorgung mit qualitativ hochwertigen Programmen im Wechselspiel von umfassender Berichterstattung, innovativer Unterhaltung, Kultur und umfangreicher Bildung zu sorgen hat. Dabei hat er als Strukturbildner und Moderator, aber auch als Mitorganisator eines öffentlichen Diskurses zu einer möglichst breiten Meinungsbildung beizutragen. Grundsätzlich sollen alle Tätigkeiten des ORF (bis in die unterste Schublade) inhaltlich durch die Programmgrundsätze geprägt sein, wobei die Ausführung möglichst effektiv nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Die Verwirklichung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks setzt voraus, daß das Prinzip der wirtschaftlichen Unternehmensführung den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunkes untergeordnet sein muß. Der ORF ist ein wirtschaftlich zu führendes Kulturunternehmen!

Derzeit kann man/frau sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, daß das kulturelle Element von einem alles bestimmenden Quotendenken verdrängt wurde. Der öffentlich-rechtliche Auftrag wird der Massenattraktivität untergeordnet. Es ist der falsche Weg, die Wirtschaftlichkeit über eine Anpassung des Programmauftrages an kommerzielle Anbieter zu erreichen; vielmehr sollen endlich die Strukturen des ORF effizienter gestaltet werden (dazu brauchen wir auch keine AG). Es muß die Selbstorganisationsfähigkeit und die Effizienz des Unternehmensmanagements gestärkt werden. Zu diesem Zweck soll der Bestellungsvorgang des Generalintendanten vereinfacht werden (Wahl mit einfacher Mehrheit). Außerdem stellt sich die Frage, ob neben dem Landesintendanten noch drei weitere Intendanten (einer für Hörfunk und zwei für Fernsehen) zu rechtfertigen sind, die nur zusätzlichen Verwaltungs- und Koordinierungsaufwand mit sich bringen. Im Sinne einer größeren Handlungsfähigkeit sollte das Kuratorium auf 18 Mitglieder verkleinert werden, wobei deren Sorgfaltspflichten und Verantwortlichkeit analog den Aufsichtsratmitgliedern einer AG gesetzlich zu verankern sind. Im übrigen sollen die Unvereinbarkeitsbestimmungen, wie sie derzeit für die von der Bundesregierung bestellten Mitglieder gelten (wie für Richter des Verfassungsgerichtshofes), gesetzlich verankert werden und als Voraussetzung Sachkompetenz im Medien- und Wirtschaftsbereich verlangt werden. Die Hörer- und Sehervertretung soll als Publikumsrat verkleinert werden, wobei ihm insbesondere Kompetenzen bezüglich des Programmauftrages eingeräumt werden sollen. Er soll die Programmrichtlinien erstellen und in Zusammenarbeit mit dem Generalintendanten die Jahressendeschemen und die langfristigen Programmpläne ausarbeiten.

Abschließend möchte ich zur Privatisierung im Fernsehbereich noch festhalten, daß zuerst einmal geklärt werden muß, wer in Österreich überhaupt in der Lage ist, ein Fernsehprogramm zu veranstalten. Eine Veranstaltergemeinschaft der größten Printmedien (Mediaprint) gemeinsam mit einer Bank oder einem Versicherungsunternehmen ist angesichts der bereits bestehenden Medienkonzentration nicht zu verantworten. Ein Privatfernsehgesetz zu schaffen, damit sich die kommerziellen deutschen Fernsehunternehmen wie RTL, SAT 1 und andere an österreichischen Programmveranstalter/innen direkt beteiligen können, trägt wohl auch kaum zur Vielfalt bei. Angesichts dieser Situation bin ich daher der Meinung, daß kein dringender Bedarf an einer Privatisierung im Fernsehbereich besteht. Der ORF könnte aber einen dritten Kanal betreiben. Im dritten Programm könnten die Länderstudios ihre Regionalprogramme ausstrahlen. Es könnte ein "offener Kanal" von etwa einer Stunde eingerichtet werden, und es könnte darüber hinaus Sendezeit privaten kommerziellen Programmanbietern zur Verfügung gestellt werden.

Der Autor ist Mitarbeiter des Grünen Klubs im Parlament und als solcher für den Medienbereich zuständig.

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