"Ökonomie ist Ethik"

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Welche Werte bestimmen die Wirtschaft? Widersprechen einander Gewinnstreben und ethische Anliegen? Oder ist Ökonomie wertneutral? Angesichts der Globalisierung gewinnen diese Fragen, ohnehin schon immer kontrovers diskutiert, noch massiv an Bedeutung. Daher fragte die furche zum Auftakt ihrer Veranstaltungsreihe über Wirtschaftsethik: "Welche Werte braucht die Wirtschaft?" Dieses Dossier entstand in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich, die redaktionelle Verantwortung liegt bei der furche. Redaktion: Claudia Feiertag Über Definition und Inhalt der Wirtschaftsethik sprach die furche mit dem Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann. Eine Einführung in ein nur schwer fassbares, gleichzeitig aber unverzichtbares Thema des Wirtschaftens.

Das mangelnde Vertrauen von Anlegern und Konsumenten müsse gestärkt werden, ist ein Ruf, der häufig in den Vorstandsetagen großer Konzerne ertönt. Die entsprechenden Reaktionen sind vielfältig: Spendentätigkeit, Unternehmensleitbilder, Nachhaltigkeitsberichte und dergleichen mehr.

"Es gehört inzwischen schon zum guten Ton, dass ein Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht herausgibt", bringt es Ulrich Thielemann, Vizedirektor des Institutes für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen (Schweiz), auf den Punkt. Denn die meisten Unternehmer sähen Wirtschaftsethik - nichts anderes sei letztlich gemeint mit dem Begriff "Nachhaltigkeit" - eben als Weg aus der Vertrauenskrise.

Ausgelöst wurde diese vor allem durch die diversen Bilanzskandale in den USA (Worldcom, Enron) und in Europa (Ahold, Parmalat), aber auch durch "das Verhalten vieler Manager, die egomanisch als Abzocker auftreten, denen es am rechten Maß mangelt. Gerade die Koinzidenz an Härten, die etwa in Form von Kündigungen auf andere ausgeübt werden, und Einkommen, die das Vorstellungsvermögen eines normalen Bürgers sprengen, erklärt den Ruf nach mehr Ethik in der Wirtschaft."

Was genau ist es aber, das alle fordern, jedoch kaum jemand fassbar, begreifbar zu machen vermag? In der Wirtschaftsethik gehe es, erklärt Thielemann, "um die kritische Hinterfragung der praktischen Vernünftigkeit des Wirtschaftens in all seinen Dimensionen". Fassbarer wird sie dadurch noch nicht. Drei verbreitete Grundauffassungen lassen sich laut Thielemann unterscheiden:

* Die Wirtschaftsethik existiert neben anderen Bereichen, hat aber mit ihnen nichts zu tun, Wirtschaft wird also nicht ethisch reflektiert. "Da kommt man zum Beispiel zu der Auffassung, Ethik sei unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen der Globalisierung gar nicht möglich. Es werden also ethikfremde Gesichtspunkte der Ethik übergeordnet", führt der Ökonom aus.

* Die funktionale Ethik geht davon aus, dass sich Ethik langfristig auszahlt. Man muss also nur langfristig kalkulieren, was im eigenen Interesse liegt, dann passiert automatisch das Richtige. Mit Moral hat sie nichts zu tun.

* Der integrative Ansatz besagt dagegen, dass Wirtschaften eine normative Angelegenheit ist, es also keine Neutralität gibt, vielmehr "ist Ökonomie Ethik", betont Thielemann, der den letztgenannten Ansatz favorisiert. Dafür seien moralisch engagierte Individuen nötig. "Ethik als Ausweg aus der Vertrauenskrise ist ein klassisches Beispiel von funktionaler Ethik. Der integrative Ansatz dagegen meint Ethik, wenn er Ethik sagt, und nicht Shareholder Value."

Thielemann bestreitet dabei nicht, dass Ethik sich auszahlt. Er sieht es jedoch genau umgekehrt wie die funktionale Ethik: Es gelte nicht das Prinzip "Man ist integer, um erfolgreich zu sein", sondern eben "Man ist erfolgreich, weil man integer ist".

Was kann aber nun die Wirtschaftsethik zur Beantwortung ökonomischer Fragestellungen beitragen? "In einer multikulturellen Gesellschaft ist Ethik immer kontrovers. Darum muss sich moderne Ethik auf das Moralprinzip beschränken. Und das Moralprinzip wird ja gerade vom Prinzip Markt verletzt." Denn im Markt gelte das Recht des Stärkeren, also des Kaufkräftigeren und Wettbewerbsfähigeren.

Gute Gründe, nicht Macht

Als formale Ethik könne die Wirtschaftsethik jedoch nicht konkrete Handlungen vorschreiben oder verbieten, sondern nur "etwas über die letztliche Maßgabe des wirtschaftsbezogenen Handelns aussagen. Maßgeblich sollen gute Gründe sein und nicht die Macht der Beteiligten." Damit ist freilich keine Norm bestimmt, wie man handeln soll, sondern nur die Vorgehensweise, wie man eine richtige von einer falschen Handlung unterscheiden kann. "Der Rest - wem welche Rechte und Pflichten auferlegt werden - ist Politik."

Das große Interesse am Auftakt der Veranstaltungsreihe zu Fragen der Wirtschaftsethik, von der Furche und ihren Partnern (Wirtschaftskammer Österreich, Austria Perspektiv, Radio Stephansdom, Radio Österreich eins und Investkredit) ins Leben gerufen, zeigt die enorme Bedeutung des Themas "Welche Werte braucht die Wirtschaft?"

Mehr als 150 Zuhörer waren in den Veranstaltungssaal der Investkredit in der Wiener Innenstadt gekommen, um den Vorträgen des Ökonomen Rüdiger Soltwedel und des Universitätsseelsorgers der Wirtschaftsuniversität Wien und Furche-Kolumnisten Helmut Schüller zu lauschen (siehe Seiten 22 und 23) und anschließend mit Investkredit-Vorstandsvorsitzendem und Furche-Herausgeber Wilfried Stadler, Kühne & Nagel-Generaldirektor Fritz Macher und Strategieberater Manfred Reichl unter Leitung von Austria Perspektiv-Geschäftsführer Theodor Faulhaber zu diskutieren.

Die Veranstaltungsreihe wird im Herbst fortgesetzt, Genaueres wird zeitgerecht in der Furche angekündigt werden.

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