Österreich: gut vertreten

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Österreichs Welterbe Das Schloss Schönbrunn, Salzburgs Altstadt, die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein im Salzkammergut, die Semmeringbahn mit der sie umgebenden Landschaft, die Grazer Altstadt und die Wachau. Sie zählen zum "Erbe der Menschheit" und finden sich in der Welterbe-Liste der UNESCO wieder.

Sechs Welterbestätten kann Österreich also aufweisen. Eine stattliche Reihe, bedenkt man die Größe des Landes und den Zeitpunkt des Beitritts der Alpenrepublik zum UNESCO-Welterbe-Übereinkommen. Mehr als 20 Jahre zahlte Österreich freiwillig Mitgliedsbeiträge - ohne jedoch selbst Mitglied zu sein. Zum einen war es die Kompetenz-Zersplitterung, die einen früheren Beitritt verhinderte. Denn für den Denkmalschutz ist der Bund zuständig, für den Naturschutz aber die neun Bundesländer.

Zum anderen fürchtete man Mitte der achtziger Jahre, dass Naturschützer auf die Idee kommen könnten, die Donau-Auen östlich von Wien zum Weltnaturerbe erklären zu lassen. Schließlich wollte doch die damalige Regierung das projektierte Kraftwerk Hainburg durchsetzen. Dementsprechend blieb das mit Naturlandschaften und Kulturdenkmälern gesegnete Österreich vorerst nur Beitragszahler, ohne Mitglied zu sein und ohne eine Welterbestätte ausgewiesen zu haben.

Erst 1990 unterzeichnete Österreich dann auf Druck der österreichischen UNESCO-Kommission, der Naturschutzorganisation "Alliance For Nature" und der Österreichischen Gesellschaft für Kulturgüterschutz das mittlerweile erfolgreichste Übereinkommen, das jemals die Völkergemeinschaft zum Schutz und zur Erhaltung ihres natürlichen und kulturellen Erbes vereinbarte. Für Österreich trat die Konvention im März 1993 in Kraft.

Keine Naturerbestätte Im April 1994 einigten sich schließlich Bund und Länder auf eine Liste jener Kulturdenkmäler und Kulturlandschaften, die Österreich in den kommenden zehn Jahren als Weltkulturerbe nominiert. Auf insgesamt 17 Vorschläge legte man sich fest und betonte, dass die Nominierung von reinen Naturerbestätten aufgrund der Kompetenzverteilung durch die Länder vorzunehmen sei.

Bis jetzt hat nur das Burgenland sein Recht wahrgenommen und Mitte der neunziger Jahre den Neusiedler See als potentielles Naturerbe der UNESCO vorgeschlagen. Diese war jedoch der Ansicht, dass es sich bei dem Steppensee im Osten Österreichs nicht mehr um eine unberührte Naturlandschaft handle, sondern um eine anthropogen beeinflusste Kulturlandschaft.

Nachdem nun auch Ungarn der Eintragung zugestimmt hat, dürfte Ende dieses Jahres der Neusiedler See aber als grenzüberschreitende Welterbestätte in der UNESCO-Liste aufscheinen. Auch das Zentrum der Stadt Wien ist derzeit im Rennen und könnte ebenfalls dieses Jahr in den elitären Kreis der Welterbestätten einziehen. Dann hätte das kleine Österreich acht Schätze der Menschheit zu verzeichnen.

Doch sind alle diese Stätten ausnahmslos dem Kulturerbe zuzuordnen. Kein einziges Weltnaturerbe kann Österreich bislang aufweisen - jenes Land, das sich zeitweise gerne als Umweltmusterland bezeichnet. Doch Österreich steht mit dieser Misere nicht alleine da. In ganz Mitteleuropa gibt es keine einzige Weltnaturerbestätte - mit Ausnahme der "Grube Messel" in Deutschland. Sie ist aber eine Fossilienlagerstätte und somit keine lebende Landschaft. Das nächstgelegene Weltnaturerbe liegt in Slowenien. Es sind die Skocjan-Höhlen, die sich rund 100 Meter unterhalb der Erdoberfläche befinden.

Allerdings hätte Österreich die große Chance, eine lebende Naturlandschaft als Weltnaturerbe einzubringen. Es handelt sich hierbei um die Donau-March-Thaya-Auen. Das ist jene Flusslandschaft, die seinerzeit einen früheren Beitritt Österreichs zur Welterbe-Konvention vereitelt hatte und die im Mittelpunkt der massiven Auseinandersetzungen in den Stopfenreuther Auen bei Hainburg gestanden war.

Die damals durch Schlägerungen entstandenen Baumlichtungen sind wieder zugewachsen und jene, die seinerzeit von "bloßhapperten Gelsenschützern" sprachen, klopfen sich heute stolz auf die Brust. Denn seit Mitte der neunziger Jahre sind diese Donau-Auen ein von der Weltnaturschutzunion international anerkannter Nationalpark. Nachdem es aufgrund politischer Widerstände beim Nationalpark Donau-Auen blieb und die March-Thaya-Auen nicht in das Nationalpark-Konzept eingebunden wurden, versucht nun "Alliance For Nature" diesen größten zusammenhängenden Auwald Mitteleuropas - gemeinsam mit Tschechien und der Slowakei - zu einem grenzüberschreitenden Weltnaturerbe-Schutzgebiet erklären lassen. Der Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, begrüßt diese Initiative "Weltnaturerbe Donau-March-Thaya-Auen" und hat bereits auch den Bund um dessen Unterstützung ersucht.

Bei aller Freude über Österreichs Welterbe wird jedoch der eigentliche Zweck der UNESCO-Welterbe-Konvention meist vergessen oder vernachlässigt. Das Übereinkommen wurde mit dem Ziel beschlossen, außergewöhnliche Naturlandschaften und Kulturdenkmäler vor Verfall oder Zerstörung zu bewahren. Entsprechen Österreichs Welterbestätten diesem Grundgedanken? Sind die Altstädte von Salzburg und Graz gefährdet? Ist das Schloss Schönbrunn und die Kulturlandschaft um Hallstatt durch Menschenhand oder Naturkatastrophen bedroht?

Gott sei Dank nicht! Aber wird hier nicht Missbrauch mit der internationalen Konvention betrieben? Durch die laufende Neueintragung von durchaus wertvollen, aber nicht bedrohten Kulturdenkmälern kommt es im Grunde genommen zu einer Verwässerung des Grundgedankens der Konvention und zur Aushöhlung des Übereinkommens. Das geschieht nicht nur in Österreich. Auch anderen Ländern dieser Vorwurf zu machen.

Es scheint, als habe selbst die UNESCO jahrelang das eigentliche Ziel aus den Augen verloren. Nun hat man aber bei der letzten Sitzung des Welterbe-Komitees beschlossen, einerseits das enorme Ungleichgewicht zwischen Kultur- und Naturerbe zu verbessern, andererseits jenen Ländern eine Chance zu geben, die noch keine Stätten zum Welterbe erklären ließen.

In Österreich entsprechen nur die Semmeringbahn und die Wachau dem Geist der Konvention: Erstere ist durch den Eisenbahn-Basistunnel bedroht. Und letztere war einst durch das Kraftwerk bei Dürnstein gefährdet und ist heute dem Druck der Donau-Schifffahrt ausgesetzt.

Leider wird das Welterbe immer mehr als "Tourismus-Kurbel" missbraucht. So finden sich in zahlreichen Fremdenverkehrsprospekten, Preislisten und Speisekarten das Welterbe-Emblem und die jeweiligen Bezeichnungen wieder, ohne dass auf den Sinn und den Zweck der Welterbe-Konvention eingegangen wird. Der Fremdenverkehr kann durchaus vom Welterbe profitieren, doch sollte es sich hierbei um einen auf Qualität ausgerichteten und sanften Tourismus handeln und nicht um Massentourismus. Denn durch diesen ist so manch eine Welterbestätte bereits auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes gelandet.

Da der Tourismus anscheinend sehr vom Status der Welterbestätten profitiert, sollte er außerdem etwas zu deren Erhaltung beitragen, also etwa an den Kosten von Restaurierungsmaßnahmen der jeweiligen Kulturdenkmäler beteiligen, nationale Naturschutzmaßnahmen finanziell fördern oder politischen Einfluss auf den Schutz der Welterbestätten nehmen.

So wäre es zum Beispiel auch Aufgabe des Semmeringer Tourismusverbandes, sich für die Erhaltung der Semmeringbahn einzusetzen und dementsprechend gegen den nach wie vor zur Diskussion stehenden Basistunnel Stellung zu beziehen. Gleiches gilt für den Wachauer Fremdenverkehrsverein, nachdem nun auf Druck der Schifffahrt die Donau ausgebaut und die Schifffahrtsrinne vertieft werden soll.

Da nun die Donau auch östlich von Wien dem Druck solcher Ausbaumaßnahmen ausgesetzt ist, wäre es besonders wichtig, die Donau-March-Thaya-Auen als Weltnaturerbe unter den Schutz der Staatengemeinschaft zu stellen, um sie für kommende Generationen zu erhalten. Schließlich geht auch von Seiten des Donau-Oder-Elbe-Kanals eine Gefahr für diesen letzten großen und zusammenhängenden Auwald Mitteleuropas aus.

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