Österreich: Land der verwilderten Gärten

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Parkanlagen sind Sache der Länder, bis vor kurzem gab es kein Rahmengesetz, das ihrer künstlerischen und kulturellen Eigenart entspricht. Sie fielen weder unter Natur- noch Landschafts- oder Ortsbildschutz", sagt Geza Hajos, Experte des Bundesdenkmalamtes für Gartenarchitektur. Erst heuer am Neujahrstag wurde das Denkmalschutzgesetz novelliert, seitdem gelten Gärten offiziell als schützenswert. Weltweit ist Österreich das letzte Land, in dem der Schutz historischer Parks nicht gesetzlich verankert war. Dabei gibt es etwa 1.700 kulturell bedeutsame Gärten. Sie zu erhalten und zu schützen, gestaltet sich schwierig: "Wenn man es mit einem Privatgarten zu tun hat, ist es sehr schwer, die Zustimmung des Eigentümers zu erhalten. Viele deklarieren ihre Gärten als landwirtschaftliche Betriebe, das kostet weniger Steuer", seufzt Hajos. "Die meisten sind zu Wäldern verkommen."

Ein Park weist oft hohe Holzbestände auf, er lässt sich leicht als Wald deklarieren. Nach künstlerischen Intentionen, mit einer wohlinszenierten Wegführung nach englischem Vorbild als romantischer Park angelegt, ist der ursprüngliche Charakter für den Experten immer noch zu sehen. "Die meisten stammen aus dem 19. Jahrhundert. Die Strukturen, die da sind, kann man gut erkennen."

So hat auch das Belvedere in Wien den Charakter seines Barockgartens nie verloren. Die unterschiedliche Bedeutung, die im öffentlichen Bewusstseinen Gebäuden und Grünanlagen zukommt, wird hier deutlich: Das Schloss wurde um die Museumsmilliarde renoviert, der dazugehörige Garten aber verwilderte und verfiel in Würde. Viele der Skulpturen wackelten, die Pflanzen waren teilweise verwildert, die Wege kaputt. Wertvolles Hochquellwasser besprengte noch vor kurzem das Grün des Belvedere, die Teiche waren undicht, über eine halbe Million Schilling verschlang 1998 die Bewässerung. Allein das Geld zur Errichtung der Zisterne fehlte. "Alle Wasseranlagen und Becken waren kaputt, das teure Quellwasser ist ständig versickert, eine automatische Besprengungsanlage kam zu teuer. Gab es wenig Niederschlag, war der Garten vertrocknungsgefährdet. Eine ziemlich traurige Situation", schildert Hajos den damaligen Zustand.

Eine Unterschriftenaktion im Jahr 1999, für die sich auch Andre Heller und Barbara Rett einsetzten, weckte öffentliches Bewusstsein und legte den Grundstein zur Gesetzesnovellierung. Die Österreichische Gesellschaft für Historische Gärten erreichte, dass der Belvedere-Garten auf die Liste der 100 gefährdetsten Denkmäler der Welt kam. Vier Millionen Schilling wurden darauf von internationalen Sponsoren unter der Auflage gespendet, dass die Burghauptmannschaft dasselbe zahlt. Fast zwei Millionen gab der World Monument Fund in New York bis Juli 1999, bis Ende April 2000 investierte die Burghauptmannschaft über 20 Millionen. Seit 9. Mai hat das Belvedere eine Zisterne. Im zweiten Bauabschnitt werden Teichgruppen, Figuren, der untere Muschelbrunnen, Vasen, Sphinxen und Reiterstandbilder restauriert. Zahlreiche Fehlteile, Risse in Füßen und Knien, Abplatzungen, offen liegende Eisenarmierungen oder fehlende Finger haben die Schönheit der Figuren stark beeinträchtigt.

Wunder sind möglich Früher wäre es undenkbar gewesen, ein Schloss nicht mit dem dazu angelegten, repräsentativen Garten als Ensemble zu betrachten, ab dem zweiten Weltkrieg ging dieses Bewusstsein verloren. Heute kann sich kaum ein Schlossherr einen Gärtner leisten, Fachkräfte, die einer Hecke die in der Barockzeit so beliebten pyramidalen Formen verpassen können, sind teuer. "Man müsste Gärtnertruppen ausbilden, die von Park zu Park ziehen", überlegt Hajos.

Doch es gibt Hoffnung: Der Melker Stiftsgarten wurde wiederhergestellt, ebenso der Schlosspark Damtschach in Kärnten. Die Esterhazyschen Parkanlagen in Eisenstadt verdanken ihre Erweckung einem Verein, der ursprünglich gegründet worden war, um einer Gemeinderatswahl mehr Brisanz zu verleihen. Damals hatten die Sozialdemokraten auf den schlechten Zustand des Adelsgartens hingewiesen. Den hatte nämlich die Stadt gepachtet.

Heute ist der Verein mit 300 Mitgliedern unpolitisch und widmet sich dem Wohl des Parks. Obmann Franz Prost machte eine Baumbestandsaufnahme und holte sich bei Dozent Hajos gartenpflegerisches Know how. Der Verein pachtete den Garten bis auf Stadion, Parkbad und den Privatteil der Esterhazys. Seitdem ist viel passiert: Der Leopoldinentempel wurde saniert, Teichränder, Wege, Wiesen, Sträucher gestutzt und wiederbelebt. Sogar das erste Maschinenhaus der österreichisch-ungarischen Monarchie findet sich im Park, mythologisiert in der Erscheinungsform einer Kapelle ohne Kreuz. Kostendeckend zu führen ist der Park freilich nicht. "Schon früher war ein historischer Garten ein Luxus, das wird er immer bleiben. Man müsste das Bewusstsein ändern, den Wert von Ruhe und Beschaulichkeit, den ein Garten bietet, erkennen. Geld gäbe es genug, der Wille fehlt noch. Ein Park macht nicht reich, er bleibt immer ein Defizit", gibt sich Probst keinen Illusionen hin. Die Orangerie harrt ihrer Restaurierung, ohne EU-Hilfe wird es unmöglich sein, die nötigen 50 Millionen Schilling aufzutreiben.

56 Gärten genießen derzeit Denkmalschutz, 24 davon sind Privatbesitz. "Jedes Schloss hat eine Gartenanlage, wir wissen gar nicht, wie viele hundert tolle Parks noch im Verborgenen schlummern", sagt Hajos. Eine Million Schilling Budget pro Jahr hat er für die Gärten. "Ein Wunder, dass man mit so einer Summe so viel erreicht."

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