Ab Donnerstag treffen sich in Wien Diversity-Experten beim europaweit einzigartigen Kongress für Vielfalt. Die Organisatorin Beatrice Achaleke erklärt ihre Ziele. Das Gespräch führte Veronika Dolna
Kongressmanagerin, Frauenrechtlerin, Autorin: Wer Beatrice Achaleke mit einem Schlagwort tituliert, greift in jedem Fall zu kurz. Der FURCHE erklärt sie, warum alle von einem zweiten Blick profitieren.
Die Furche: Vielfalt ist kein neues Phänomen, sondern eine Gegebenheit. Warum muss sie speziell gefördert werden?
Beatrice Achaleke: Das frage ich mich auch immer wieder. Leider wird Heterogenität in Teams, in Gruppen oder der Gesellschaft nicht immer positiv gesehen. Mir geht es darum, den Blickwinkel auf Vielfalt zu ändern: Man muss erkennen, dass Andersartigkeit nichts Negatives ist, dass wir alle davon profitieren, nicht nur die, die "anders“ sind.
Die Furche: Wenn man Minderheiten einbezieht, wird das gerne als altruistischer Akt gesehen.
Achaleke: Und das ist falsch, denn bei Diversity geht es nicht darum, jemandem zu helfen, sondern um den Gewinn für alle. Wir haben eine multidimensionale Persönlichkeit. Ich bin eine Frau, Mutter, Kongressmanagerin, Österreicherin, Kamerunerin. Diese Liste lässt sich lange erweitern. Man kann weder mich noch irgendjemand anderen auf nur einen Faktor herunterbrechen. Leider werden Menschen mit offensichtlichen Merkmalen wie einer anderen Hautfarbe oder einer anderen Muttersprache oft nur darauf reduziert. Und damit beginnen die Exklusionsmechanismen. Das müssen nicht immer offensichtliche Diskriminierungen sein. Schon durch die eindimensionale Betrachtung von Menschen entgeht der Gesellschaft deren großes Potenzial.
Die Furche: Ich bin weiß, blond, meine Muttersprache ist Deutsch. Nicht besonders exotisch in Österreich. Wie kann ich Vielfalt leben?
Achaleke: Es geht darum, wie man Menschen begegnet. Um Neugierde und den Mut, sich mit Menschen zu beschäftigen, die anders sind, als man selbst. Um die Erkenntnis, dass man selbst daran wächst. Unsere Gesellschaft muss noch lernen, Menschen aufgrund ihres Charakters und ihrer Handlungen und nicht aufgrund ihres Aussehens zu be- oder sogar verurteilen.
Die Furche: Schauen wir zu sehr auf das Trennende, den Unterschied?
Achaleke: Ja. Dabei findet man auch mit Menschen, die auf den ersten Blick anders sind, als man selbst, Gemeinsamkeiten, wenn man sich mit ihnen auseinander setzt. Nur wenn man hinter das Augenscheinliche schaut, entdeckt man Potenziale. Und das brauchen nicht nur Großkonzerne, die international tätig sind, sondern auch kleine Unternehmen. Wenn man Menschen wirklich kennenlernt, ihnen Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringt, dann sind sie auch am effektivsten. Wann immer Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Talenten, Eigenschaften und Sichtweisen zusammenarbeiten, wachsen Produktivität und Kreativität.
Die Furche: In der Wirtschaft ist das Diversity-Konzept teilweise schon implementiert. In der Politik auch?
Achaleke: Nein. Es gibt weder eine konzeptionelle Auseinandersetzung mit Vielfalt noch ein klares Bekenntnis dazu. Alles in diesem Bereich läuft unter dem Stichwort Integration, wo Anpassung erwartet wird. In Unternehmen reicht es auch nicht, wenn man ein paar Frauen oder Migranten oder einen Diversitätsbeauftragten einstellt und sagt: "Wir betreiben Diversität.“ Man braucht ein klares Konzept, Ansprechpartner, ein Budget, eine Potenzialanalyse und Maßnahmen um die Voraussetzungen zu schaffen, dass jeder bestmöglich mitgestalten kann. Und das muss dann kommuniziert werden. In der Politik fehlt das komplett.
Die Furche: Wer soll dafür zuständig sein? Ein Diversity-Staatssekretär?
Achaleke: Mir ist gleich, unter welchem Titel man das Thema behandelt. Wir brauchen einen ganzheitlichen Zugang. Und Österreich muss sein Selbstbild ändern: Wir müssen uns dazu bekennen, dass es ein Einwanderungsland ist, und dass Migranten einen enormen Vorteil für den Wirtschaftsstandort bringen.
Die Furche: Halten Sie Quoten für eine gute Möglichkeit um Vielfalt zu fördern?
Achaleke: Davon bin ich überzeugt. Bei gleicher Qualifikation sollten bestimmte Gruppen bevorzugt werden. Man sollte sie gezielt dabei unterstützen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Das bleibt ihnen nämlich wahrscheinlich verwehrt, wenn immer nach dem selben Schema nachbesetzt wird. Verstehen Sie mich nicht falsch, niemand soll durchgeschleppt werden. Es geht nicht um Hilfe, sondern um das Erkennen und Nutzen von Talenten.
Die Furche: Ist das auch das Ziel Ihres Diversity Leadership Kongresses?
Achaleke: Ich möchte das Thema in den Fokus rücken, das Bewusstsein stärken und Menschen, die in dem Bereich arbeiten, ermöglichen, ihren eigenen Horizont zu erweitern, indem sie neue Inhalte, Impulse und Trends kennenlernen. Ich wünsche mir, dass mein Land Österreich Vorreiter für Vielfalt wird.