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Anmerkungen zur Debatte um den Börsegang der Post.

Privatisierung auf österreichisch: "Rot-weiß-roter geht's nicht", versprechen uns Finanzministerium und Verstaatlichten-Holding öiag in ganzseitigen Zeitungsinseraten. Da ist es wieder, das Leitmotiv der unendlichen austriakischen Privatisierungsgeschichte - die "österreichische Lösung": Auch wenn sich alles ändert, bleibt alles gleich. Kapitalismus, ja bitte - aber unser Wasser, unsere Milch, unsere Bahn, unsere Post, unser orf, unsere Zeitung, unser Was-auch-immer bleiben rot-weiß-rot, ja natürlich! In einem Land, das europäische Sicherheitspolitik und Neutralität für kompatibel hält, dürfen auch "Staat" und "privat" kein Widerspruch sein.

Nun mag man diese Neigung zur Harmonisierung der Gegensätze für ein konstitutives Element des österreichischen Charmes halten, der ja immerhin schon für das Weltkulturerbe nominiert wurde. Die zugrunde liegende Mentalität verhindert freilich auch ein Denken in Alternativen als Grundlage entschlossen-rationalen Handelns. Oder, in Anlehnung an Hegel gesprochen: Wer die Synthese schon parat hat, bevor er die Antithese noch recht verstanden hat, begibt sich der Chance auf ernsthafte Auseinandersetzung. Veränderungen erscheinen dann als zwangsläufige Folge vorgegebener, unbeeinflussbarer Rahmenbedingungen - "Globalisierung", "eu" etc. -, die eine weise Politik, stets das Ohr am Volk, eben bestmöglich abfedert: Wir machen mit, aber es tut bestimmt nicht weh, versprochen!

So wurde etwa nie eine ernsthafte Debatte über Sinn und Ziel von Privatisierung bzw. Entstaatlichung in Österreich geführt: Was kann, was soll privatisiert werden, wo gibt es ein öffentliches Interesse und damit eine Verpflichtung der öffentlichen Hand? Diffus schwebt das Motto "Weniger Staat, mehr privat" im Raum, ohne dass sich jemand die Mühe der Differenzierung machte und erklärte, wo es "mehr privat", aber auch wo es keinesfalls "weniger Staat" geben sollte.

Das öffnet Populisten Tür und Tor, die bei jeder Gelegenheit "Ausverkauf" schreien und ihren Protest zum Kampf ums letzte Hemd stilisieren: Was bei der voest recht war, kann jetzt bei der Post nur billig sein.

Immerhin, es gibt in der aktuellen Auseinandersetzung auch Stimmen der Vernunft wie etwa Hannes Androsch oder Alexander Van der Bellen, die nicht in der Privatisierung das Problem sehen, sondern die Frage der Versorgungssicherheit in den Mittelpunkt stellen. (Josef Cap wird Van der Bellens Aussage gewiss wieder als Beweis dafür ansehen, dass Schwarz-Grün ausgemacht ist; bei Androsch hat er's schwerer...) Der Grünen-Chef mahnt jedenfalls in der apa zu Recht die Befassung mit der Frage ein, was ein Börsegang der Post und ihren Kunden bringen würde, warnt aber ebenso zurecht die Gewerkschaftsfunktionäre davor, ihr Unternehmen als "Selbstbedienungsladen" zu verstehen. Androsch fordert in der Kleinen Zeitung, "dass man Sicherheiten festlegt, auch in der Versorgung am Land" - und weist auf einen entscheidenden Punkt hin: "Ein Infrastruktur-Unternehmen ist kein Industriebetrieb."

Die Botschaft gilt in beide Richtungen: Stahl-und Tabakwerke sind grundsätzlich anders zu beurteilen, als Post, Bahn, Straßen - aber auch etwa Bildung oder Gesundheit. Wer aus guten Gründen den Staat in wesentlichen Bereichen der "Daseinsvorsorge" nicht aus der Pflicht entlassen will, der wird nicht einfach bestehende Strukturen für sakrosankt erklären, sondern nach Lösungen suchen, die ein Höchstmaß an Effizienz mit dem legitimen Bedürfnis nach Sicherheit der Menschen verbinden. Nicht alles muss, ja kann sich rentieren, wie Managementberater Fredmund Malik im Interview mit dieser Zeitung (siehe Seite 9) sagt, aber auch im Bereich Infrastruktur bzw. Daseinsvorsorge tätige Unternehmen sind so zu führen, "wie die besten Wirtschaftsunternehmen geführt sind" (Malik).

Die Chancen, dass solche Überlegungen die öffentliche Diskussion in Österreich bestimmen, dass das Wesen der Privatisierung, ihre Möglichkeiten und Grenzen, hierzulande begriffen werden, bevor sich die öiag restlos aufgelöst hat, sind relativ niedrig anzusetzen. Aber wir sind ja auch bis jetzt recht gut gefahren, nicht wahr? Hauptsache Rot-weiß-rot.

rudolf.mitloehner@furche.at

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