Österreich und die Zwentendorf-Psychose

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Den AKW-Gegnern gebührt eine Prämie: Sie haben das Land vor Folgekosten bewahrt, und der Atomstrom fließt trotzdem.

Der tschechische Botschafter in Wien, Jan Koukal, hat recht gut beschrieben, wie das atomfreundliche Ausland das atomfeindliche Österreich sieht: In Österreich herrsche, laut Koukal, seit der Zwentendorf-Volksabstimmung eine "in Europa völlig einzigartige Psychose", und das Land sei mit seiner Anti-Atom-Politik "ein bisschen isoliert". Koukal meint aber, dass es verantwortungsbewusste Politiker gibt, die wissen, dass Österreich diese Position langfristig nicht aufrechterhalten kann und sie deswegen ändern wird.

Diese Aussage des Botschafters ist zwei Jahre alt. Seither hat kein österreichischer Politiker in einer Spitzenfunktion seine Meinung zur Atompolitik geändert: Alle sind gegen ein AKW in Österreich; alle machen sich Sorgen über AKWs nahe der österreichischen Grenze, aber keiner stellt Österreichs Mitgliedschaft bei Euratom in Frage und keiner macht gegen Atomstrom- importe nach Österreich mobil. Koukal muss sich nicht sorgen: Den Wechsel zwischen nationaler Anti-Atom- und internationaler Pro-Atom-Politik beherrscht das offizielle Österreich perfekt - insofern ist das Land kein bisschen isoliert.

Im Gegenteil, Österreich zeigt, wie man als AKW-freies Land trotzdem mit der europäischen Atomstrom-Industrie viel Geld verdienen kann. Rund 20 Prozent beträgt laut Berechnungen von Greenpeace und Global 2000 der von den österreichischen Stromkonzernen eingekaufte Atomstrom.

Der nach Österreich importierte Atomstrom liegt in jedem Fall über der Strommenge, die das AKW Zwentendorf bei voller Auslastung produziert hätte. Insofern sollten die AKW-Gegner von vor 30 Jahren eine saftige Provision ausgezahlt bekommen: Mit ihrem Nein zu Zwentendorf haben sie Österreich vor den teuren Folgekosten eines AKW-Betriebs verschont, die Atomstrom-Gewinne fließen aber trotzdem nicht am Land vorbei.

Schulungs-AKW und Igel-Asyl

Die Nicht-Inbetriebnahme des AKWs Zwentendorf leistet auch einen Beitrag zur Reaktorsicherheit in Europa, erklärt Stefan Zach, Sprecher von "Energie Versorgung Niederösterreich (EVN)". Zwentendorf ist heute begehrtes Ersatzteillager für andere Atomkraftwerke und ein Schulungsreaktor: Die Hälfte des Jahres üben deutsche Atomexperten unter realitätsnahen Bedingungen in Zwentendorf.

2009 soll der erste Sonnenstrom aus dem Kraftwerks-Areal ins Netz eingespeist werden, an Energiegewinnung aus Biomasse wird ebenfalls gearbeitet. Dass in einigen der 1050 Räume des AKWs auch einmal ein Museum eingerichtet wird, will Zach nicht ausschließen: "Was es dafür braucht, ist ein schlüssiges inhaltliches und wirtschaftliches Konzept. Zu einem Igel-Krankenhaus und -Asyl hat es das AKW Zwentendorf jedenfalls schon gebracht. Kaum zu glauben, und man sollte es dem tschechischen Botschafter einmal sagen, wer nicht aller von so einer nationalen Psychose profitieren kann. (wm)

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