Österreichs Muslime beginnen zu wählen

Werbung
Werbung
Werbung

Premiere in Klagenfurt: Die Kärntner Islamische Religionsgemeinde ermittelte österreichweit als Erste ihre Vertreter nach der neuen Verfassung der IGGiÖ.

Kompliziert: Auch Richard Potz, Religionsrechtler an der Uni Wien, charakterisiert damit den neuen Modus, nach dem Österreichs Muslime ihre Vertretungen wählen. Dennoch sei die Wahlordnung "in Summe ein ordentlicher Fortschritt", so Potz zur FURCHE. Auch Ednan Aslan, islamischer Religionspädagoge an der Uni, teilt die Einschätzung: Wenn die Muslime nach der neuen Verfassung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) abstimmen, "haben sie eine große Leistung vollbracht". Grundsätzlich sei die Verfassung demokratisch, es komme nun, so Aslan, darauf an, wie die Muslime im Land damit umgingen.

Zustimmung also für den "demokratischen" Aufbruch unter den Muslimen, nach der schweren Geburt einer Verfassung, welche die religiösen Strömungen - sunnitische Rechtsschulen und die Schiiten - ebenso abbilden soll wie die Repräsentanz der Muslime in den Verbänden. Bislang, hatten Kritiker moniert, repräsentiere die IGGiÖ nur eine Minderheit.

Die vom derzeitigen Präsidenten Anas Schakfeh auf den Weg gebrachte Verfassung versucht, möglichst viele Muslime zu beteiligen, aber gleichzeitig sicherzustellen, dass keine (ethnische) Gruppe deren Organe dominiert. Zunächst wählen die neun Religionsgemeinden (sie entsprechen den Bundesländern) ihre Gemeindeversammlung, diese nominieren den jeweils elfköpfigen "Ausschuss", der dann Delegierte ins oberste Organ der IGGiÖ, den Schurarat, entsendet. Dieses 36- bis 61-köpfige Gremium wählt den Obersten Rat, die Exekutive der IGGiÖ, und den Präsidenten.

Das Um und Auf dieses Systems ist die Registrierung der Muslime, die in acht Bundesländern Anfang November abgeschlossen wurde. Knapp 46.000 Muslime ließen sich registrieren. Auffällig dabei, dass in der Religionsgemeinde Bregenz mit fast 10.000 Registrierungen der Zuspruch besonders groß war, auch in Innsbruck waren es beinahe ebenso viele. Dahingegen ließen sich in der Religionsgemeinde Graz bloß etwas mehr als 2000 Muslime registrieren. Der Oberste Rat hat daher die Registrierungsfrist für die Steiermark über den Jahreswechsel hinaus verlängert. Dann folgt noch Wien: Dort kann man sich ab 11. Jänner registrieren lassen. Schakfeh rechnet da mit einer Verdoppelung der bisherigen Zahlen - das wären dann 100.000 Registrierungen, also 20 Prozent der heimischen Muslime.

Bislang 16.000 Wahlberechtigte

Um auch wahlberechtigt zu sein, müssen die Registrierten die Kultusumlage von jährlich 40 Euro entrichten. Etwa 16.000 Muslime haben in den acht Bundesländern demnach das Wahlrecht erworben.

Letztes Wochenende machte die Religionsgemeinde Klagenfurt den Anfang: 938 Wahlberechtigte wiesen die Listen aus; 790 Wahlberechtigte, also 84 Prozent, gaben ihre Stimme ab. Carla Amina Baghajati, Pressesprecherin der IGGiÖ, zeigte sich gegenüber der FURCHE überaus erfreut über diese Wahlbeteiligung, die nun etwa die Kritiker von der "Initiative Liberaler Muslime" Lügen strafe. Diese vor allem als Kämpferin gegen die IGGiÖ in Erscheinung tretende Gruppierung hatte noch am Tag nach der Wahl in einer Aussendung behauptet, "nur ein keiner Teil" der wahlberechtigten Muslime sei in Kärnten zur Wahl gegangen.

Die Wahl in Kärnten verlief also nach Plan, IGGiÖ-Präsident Schakfeh hatte im Vorfeld der Wahl darauf hingewiesen, dass diesmal alle großen Verbände mit im Boot seien. Insbesondere der vom türkischen Staat getragene ATiB ist mit von der Partie. Somit dürfte klar sein, dass im Juni, wenn die Wahlprozedur ans Ende kommt, ein türkischstämmiger Präsident der IGGiÖ vorsteht.

Dass die großen Verbände und insbesondere der vom Religionsamt in Ankara betriebene ATiB nun das Sagen haben, rief wieder Kritiker auf den Plan. Anas Schakfeh lässt diese Kritik aber nicht gelten: Zuerst werfe man ihm vor, in der IGGiÖ seien die Türken zu wenig präsent, nun sei es wieder nicht recht, wenn die türkischen Verbände zu viel Einfluss gewännen, argumentiert er.

Große Verbände bevorzugt

Religionsrechtler Richard Potz weist aber darauf hin, dass die Verfassung der IGGiÖ sehr wohl die großen Verbände bevorzuge. Dennoch warnt Potz vor zu viel Zahlenspielerei: Allzu leicht würden da Äpfel mit Birnen verglichen. Die Demokratisierung der IGGiÖ sei jedenfalls für deren innere und äußere Akzeptanz gut. Gleichzeitig weist Potz darauf hin, dass der Staat auch bei der IGGiÖ keine Demokratisierung fordern könne: Weder die katholische Kirche noch die Orthodoxen und auch nicht andere anerkannte Religionsgemeinschaften wie die Mormonen oder die Zeugen Jehovas hätten eine demokratische Struktur.

Apropos katholische Kirche: Bei den letzten Pfarrgemeinderatswahlen 2007 machten 20 Prozent der Katholiken im Land von ihrem Wahlrecht Gebrauch.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung