Österreichs selige Sozialreformerin

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Lang erwartet - und nun kurz vor dem Abschluss: Das zuständige Kardinalskollegium empfiehlt dem Papst die Seligsprechung von Hildegard Burjan.

Fast schien es eine unendliche Geschichte: 1963 schon hatte Kardinal Franz König den Seligsprechungsprozess für die Politikerin und Sozialreformerin Hildegard Burjan eingeleitet. Doch bis zuletzt war von Stillstand die Rede, obwohl auch das nötige "Wunder“, also die medizinisch unerklärliche Heilung nach Anrufung von Burjan von einer Ärztekommission einstimmig bestätigt worden war. Letzte Woche hat nun auch das zuständige Kardinalskollegium die "Heilung“ einer Frau von der Unfruchtbarkeit, die nach mehreren Operationen festzustehen schien, bestätigt und dem Papst die Seligsprechung empfohlen. Nun fehlt zur Erhebung Burjans zur Ehre der Altäre nur mehr die Unterschrift des Papstes; man erwartet, dass die Zeremonie im Frühling 2011 stattfinden kann.

Zufrieden mit der Entwicklung

Die Publizistin Ingeborg Schödl zeigt sich im FURCHE-Gespräch zufrieden mit der jüngsten Entwicklung. Schödl ist Vizepostulatorin des diözesanen Seligsprechungsprozesses und hält als Vorsitzende des Hildegard-Burjan-Komitees das Andenken an die Sozialreformerin hoch.

Warum hat der Abschluss des formellen Prozesses so lange auf sich warten lassen? Schödl verweist da unter anderem auf die Brisanz des Lebenszeugnisses von Hildegard Burjan, das außerhalb "eingefahrener Gleise“ verlaufen sei: Sie sei als eine verheiratete Frau und Mutter Gründerin und Leiterin einer religiösen Frauengemeinschaft gewesen - das gelte in Rom heute noch als sehr ungewöhnlich. Dabei wäre das Beispiel der Hildegard Burjan gerade für Frauen in der Kirche von heute eine Wegweisung: "Hildegard Burjan hat wie die Frauen heute gelebt, und kann daher für sie zum Beispiel werden“, so Schödl, die 2008 auch eine Biografie Burjans verfasst hat. Bereits vier Jahre früher datiert die Burjan-Biografie aus der Feder der deutschen Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz.

Hildegard Burjan wurde 1883 im ostdeutschen Görlitz in eine liberale jüdische Familie geboren. Nach Studien der Literatur, Philosophie und Sozialwissenschaft heiratete sie 1907 den ungarischen Industriellen Alexander Burjan. Nach Heilung von einer schweren Krankheit wurde sie katholisch, ab 1909 lebte sie in Wien, wo sie sich bald für die sozialen Rechte der Frauen einsetzte. So gründete sie 1912 den "Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“. Mit der Einführung des Frauenwahlrechts 1919 kandidierte sie fürs österreichische Parlament und zog im gleichen Jahr als erste Frau für die christlich-soziale Partei in den Nationalrat ein. 1919 gründete sie auch die ihren sozialen Ideen verpflichtete religiöse Schwesterngemeinschaft "Caritas Socialis - CS“, die als Säkularinstitut bis heute besteht und das Andenken Burjans hochhält. Die Schwestern betreiben verschiedene Sozialeinrichtungen, darunter auch das CS Hospiz Rennweg in Wien.

Stark angegriffene Gesundheit

Bereits 1920 schied Burjan aufgrund ihrer angegriffenen Gesundheit wieder aus dem Nationalrat aus, sie blieb dennoch das "soziale Gewissen“ ihrer Partei und war Beraterin u.a. von Bundeskanzler Ignaz Seipel. 1933 starb die Mutter einer Tochter an den Folgen ihrer Krankheit.

Dieses Frauenleben wird nun von ihrer Kirche postum besonders gewürdigt. Von einem "lange ersehnten Ereignis“ sprach auch Kardinal Christoph Schönborn in einer ersten Reaktion auf die Berichte von der Kardinalsempfehlung an den Papst, Hildegard Burjan selig zu sprechen.

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