Ötzi ist Wirtschaftsfaktor

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Angelika Fleckinger leitet das Südtiroler Archäologiemuseum. Dort ist die Mumie ausgestellt. Jährlich kommen 240.000 Besucher zur Besichtigung. Das Gespräch führte Raimund Lang

Etwa 240.000 Besucher lockt der Mann aus dem Eis jährlich ins Südtiroler Archäologiemuseum. Das Haus in Bozen ist ganz auf die Gletschermumie zugeschnitten, sagt Direktorin Angelika Fleckinger.

Die Furche: Was fasziniert aus Ihrer Sicht die Menschen an Ötzi?

Angelika Fleckinger: Ötzi gibt der Geschichte ein Gesicht. Man kann so etwas wie eine emotionale Beziehung zur Vergangenheit aufbauen, wenn man ihn sieht. Das versuchen wir durch die Präsentation zu betonen. Das ist bei anderen Museen nicht so einfach möglich.

Die Furche: Sind die Besucher an den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung interessiert?

Fleckinger: Ja, die Menschen wollen wissen, was Spekulation und was wissenschaftlich begründet ist. In der Sonderausstellung "Ötzi20“ gehen wir über den wissenschaftlichen Aspekt hinaus und beleuchten den Fund unter mehreren Gesichtspunkten, darunter auch die Rezeption in den Medien.

Die Furche: Ist das Interesse an der Mumie noch ungebrochen oder merken sie einen Rückgang?

Fleckinger: Das Interesse ist nach wie vor groß. Seit der Eröffnung des Museums 1998 haben wir jährlich etwa 240.000 Besucher. Zu bestimmten Anlässen ist das Medienecho größer, etwa zu Jahrestagen oder bei neuen wissenschaftlichen Ergebnissen.

Die Furche: Wissenschafter arbeiten seit 20 Jahren an der Mumie. Was leitet die Forschung?

Fleckinger: Man hat sich jüngstens bemüht, die Dynamik um den Tod Ötzis zu verstehen. Die Schnittverletzung an der Hand und die Pfeilspitze im Rücken legen nahe, dass vor seinem Tod dramatische Ereignisse vorgefallen sein müssen.

Die Furche: Werden sich diese Umstände zweifelsfrei klären lassen?

Fleckinger: Es existieren Theorien, aber einige Resträtsel werden bleiben. Andererseits gibt es heute völlig neue Untersuchungsmöglichkeiten, etwa DNA-Analysen. Das Erbgut der Mumie ist fast völlig entschlüsselt. Daraus weiß man, dass er braune Augen hatte und nicht blaue, wie lange Zeit angenommen. Im Oktober werden bei einer Konferenz in Bozen aktuellste Ergebnisse veröffentlicht.

Die Furche: Hat der Fund von Ötzi so etwas wie eine neue Forschungsdisziplin begründet?

Fleckinger: Das nicht. Aber 2007 wurde in Bozen das Institut für Mumien und den Iceman gegründet. Deren Leiter, Albert Zink, arbeitet eng mit uns zusammen. Noch heuer soll eine Datenbank online gehen, die der Öffentlichkeit sämtliche wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse mit Bildmaterial zur Verfügung stellt.

Die Furche: An der Erforschung von Ötzi sind weltweit viele Wissenschafter interessiert. Wie entscheiden sie, wer ran darf?

Fleckinger: Es gibt einen wissenschaftlichen Beirat für die Mumie, der alle Projektanträge begutachtet und bewertet. Parallel dazu erstellt unser Konservierungsbeauftragter ebenfalls ein Gutachten. Nur wenn beide Gutachten positiv sind, dürfen Forscher Proben entnehmen. Dafür gibt es lange Wartezeiten, weil die Mumie nur sehr selten und für kurze Zeit aufgetaut wird. Dann können Forschungsteams nach einem genauen Zeitplan an der Mumie arbeiten.

Die Furche: Das Südtiroler Archäologiemuseum steht heuer ganz im Zeichen des zwanzigsten Jahrestages des Fundes. Welche Rolle wird Ötzi in Zukunft spielen?

Fleckinger: Die Mumie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Wir haben ein Jahresbudget von 1,6 Millionen Euro und finanzieren uns fast ausschließlich aus Besuchereinnahmen. Der Mann aus dem Eis bleibt die Hauptattraktion unseres Hauses. Die übrigen Exponate der Südtiroler Archäologie werden wir in wechselnden Themenschwerpunkten präsentieren.

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