ÖVP brachte Staat unter ihre Kontrolle

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Die Grünen tappten nicht in die Falle, den autoritären Regierungsstil der ÖVP zu akzeptieren.

Die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen sind gescheitert. Dies war zwar vorhersehbar, ist aber trotzdem schade. Es ist schade, weil sich im Parteiprogramm der ÖVP interessante Ansatzpunkte für ein grün-schwarzes Bündnis finden: von der ökosozialen Marktwirtschaft über das Prinzip der Subsidiarität bis hin zur Betonung von Freiheit und Solidarität. Vorhersehbar war das Scheitern, weil eine Koalition ja nicht mit dem christdemokratischen Parteiprogramm, sondern mit der real existierenden ÖVP geschlossen wird. Und diese ÖVP hat sich in den letzten drei Jahren definitiv in eine liberal-konservative Partei gewandelt. Der historische Anstieg der Abgabenquote ist nur Ausdruck dafür, dass die ÖVP zwar von Staatsabbau redete, in Wahrheit aber einzig den Staat unter ihre Kontrolle brachte. Der Proporz wurde beendet, schwarz - mit blauen Einsprenkelungen - zur Einheitsfarbe in der Führungsetage unseres Staates. Die Bestellungen für die Universitätsräte stellen nur das letzte Beispiel dar.

Doch folgen wir Thomas Köhler und reden wir nicht von den Schwarzen, sondern von den Grünen. Deren Parteispitze hat in den letzten Wochen etwas geschafft, das ich noch vor kurzem für die Quadratur des Kreises hielt. Sie hat gezeigt, dass Dialog ein Grundprinzip demokratischer Gesellschaften ist. Gegen den Wunsch von Teilen der Parteibasis hat sie mit der ÖVP verhandelt. Damit hat sie die Realität akzeptiert, dass die Grünen eine Partei der Mittelschicht und des Bildungsbürgertums sind. Die Grünen haben sich aus der Geiselhaft der SPÖ befreit und beginnen, ein eigenständiges politisches Projekt zu definieren.

Gleichzeitig tappten die Grünen nicht in die Falle, einzelne Vorzeige-Projekte durchzusetzen und dafür den bevormundend-autoritären Regierungsstil der ÖVP zu akzeptieren. Die Parteiführung ließ sich nicht von der Hoffnung verleiten, in Zukunft einzelne Blaue und Rote durch Grüne ersetzen zu können. Damit blieb sie dem grünen Politikverständnis treu, dass Politik nicht von oben von Machern gecheckt, sondern mit den Menschen gestaltet wird.

Soll Altersarbeitslosigkeit in Kauf genommen werden? Soll das Gesundheitswesen von den Kranken selber oder über einen Solidarbeitrag finanziert werden? Sollen an den Unis einzig regierungsfreundliche Räte und einige Professoren das Sagen haben? In all diesen Punkten beruhten die Unvereinbarkeiten zwischen Grün und Schwarz auf der Frage, ob allen Menschen die Möglichkeit weiter offen bleiben soll, an Gesundheit und Bildung teilzuhaben.

Es gelang den Grünen, ansatzweise das wiederzubeleben, was am Beginn der Grünen Bewegung gestanden ist, nämlich die Forderung nach einer anderen Form politischen Handelns: Einer Politik mit und nicht für die Menschen. In der Opposition war es leicht zu definieren, worin die Politik mit den Menschen bestand: Gemeinsam mit Bürgerinitiativen außerhalb und innerhalb des Parlaments einer Minderheitenmeinung Gehör zu verschaffen. In der Regierung wird dies anders sein müssen, denn dort kann das Verhältnis von Bürgern und Staat, Regierung und Opposition strukturell demokratischer gestaltet werden. In der Regierung ist es möglich, allen und nicht nur seinen Freunden Mitsprache zu ermöglichen. Die Koalitionsverhandlungen haben gezeigt, dass eine Politik erweiterter Teilhaberechte die ethische Innovation darstellt, die es in Zukunft erlauben wird, sowohl gegen rot als auch gegen schwarz selbstbewusster aufzutreten.

Der Autor ist Vorstandsmitglied der Grünen Bildungswerkstatt Wien, außerordentlicher Universitätsprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien und Autor des Buches "Entwicklung gestalten - Gesellschaftsveränderung in der Einen Welt" (Frankfurt: Brandes&Apsel).

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