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Das Wiener Museum moderner Kunst zeigt in vier Sammlungen seine Stärken.

Als das Wiener Künstlerhaus 1977 ein Plakat für die Ausstellung "Kunst um 1970" druckte, kam es zu einem Skandal. Das Plakatsujet - eine liegende nackte Frau auf einem Bett - brachte dem damaligen Direktor des Künstlerhauses den Vorwurf ein, pornografische Arbeiten zu zeigen. Das Werbeunternehmen Gewista schritt zensurierend ein und "entschärfte" das Plakat durch zwei rote Balken an entscheidenden Stellen.

Bei dem abgebildeten Akt handelte es sich jedoch um keinen realen menschlichen Körper, sondern um ein Foto der hyperrealistischen Skulptur des Künstlers John de Andrea. "Woman on Bed" (1974) zählt heute zu den bekanntesten Objekten des Museums Moderner Kunst. Für in Wien aufgewachsene Kinder der "Wickie, Slime und Paiper"-Generation wurde die täuschend echt wirkende Frauen-Skulptur, an der man jedes Härchen zählen konnte, zum Inbegriff von Gegenwartskunst.

Anfang der Stiftung Ludwig

Die damalige Ausstellung im Wiener Künstlerhaus mit Werken der Pop Art und des Fotorealismus aus der Sammlung des deutschen Schokoladenfabrikanten-Ehepaars Peter und Irene Ludwig war für Österreich von kulturpolitischer Bedeutung. Noch während der Ausstellungseröffnung versprach Peter Ludwig Präsident Kirchschläger und Bundesministerin Hertha Firnberg, Wien hundert Werke seiner bedeutenden Kunstsammlung leihweise zu überlassen.

Mit der spontanen Zusage war der Grundstein für die 1981 gegründete Österreichische Ludwig Stiftung gelegt. "Ohne Peter Ludwig gäbe es wahrscheinlich das Museumsquartier nicht", ist Kurator und Sammlungsleiter Wolfgang Drechsler überzeugt, verband doch Ludwig mit der Stiftung stets die Forderung nach einem adäquaten Neubau für die Präsentation von Gegenwartskunst.

In vier Ausstellungen erinnert das mumok im von Direktor Köb proklamierten "Jahr des Sammelns" nicht nur an das für die Kunst des 20. Jahrhunderts so bedeutende Sammlerpaar Ludwig. Auch Wolfgang Hahn, dessen Sammlung mit dem Schwerpunkt "Nouveau Réalisme" das Museum 1978 erworben hat, wird durch die Neugestaltung der Sammlungsbestände gewürdigt. Neben den bisherigen Präsentationen "Klassische Moderne" und "Wiener Aktionismus" hat man die Stärken der mumok-Sammlung - "Pop Art", "Nouveau Réalisme" und "Realismen der 70er Jahre" - nun entsprechend hervorgehoben.

Für Kenner des Museums lohnt der Besuch, da viele der gezeigten Arbeiten lange nicht zu sehen waren. Für Erstbesucher ist die Umgestaltung ebenfalls ein Gewinn. Durch die räumliche Gegenüberstellung von verwandten und doch ganz unterschiedlichen Arbeiten werden die gemeinsamen Anliegen, genauso aber die Vielgestaltigkeit einer Kunstrichtung erkennbar.

Neuankäufe

Die vierte Ausstellung stellt einen spannenden Neuankauf aus dem Jahr 2003 vor. Bruce Naumans Medieninstallation "Audio-Video Underground Chamber" (1972/ 1974) ist ein Hauptwerk der Postminimal Art, das im Zuge von den aufkommenden Debatten über die zunehmende Überwachung des öffentlichen Raums an Brisanz gewinnt. Das eigentliche Geschehen der multimedialen Installation spielt sich unter und hinter dem mumok ab. Hier ist eine leere Betonbox vergraben, die mit einer Kamera, einer Lampe und einem Mikrophon versehen ist. Bild und Ton der videoüberwachten, unzugänglichen Betonkammer werden auf einen kleinen Monitor im Ausstellungsraum übertragen.

Das Museum Moderner Kunst zieht mit den vier Ausstellungen sicher keine Besuchermassen an, gewinnt mit derartigen Präsentationen aber an Profil. Zwei neue Publikationsreihen (Nouveau Réalisme und Bruce Nauman machen den Auftakt) unterstützen das auffallend selbstbewusste Auftreten der letzten Zeit.

Neues mumok-Profil

"Wir sind das kunsthistorische Museum der Zukunft", verkündete Edelbert Köb im Zuge der Neugestaltungen agitatorisch. Sowohl die stärkeren Akzentuierungen als auch die offensivere Öffentlichkeitsarbeit hinterlassen den Eindruck, dass die kulturpolitische Diskussion um die mögliche Nichtverlängerung des Vertrags von Edelbert Köb - so befremdlich sie auch war - dem mumok gar nicht so schlecht getan hat. Offensichtlich hat man erkannt, dass seriöse Hintergrundarbeit ohne entsprechend lautstarkes Auftreten zu wenig ist. Vielleicht hat Köb aber auch einfach nur Zeit gebraucht, um seine Vorstellungen umzusetzen. Zeit, die einem heute als Leiter eines großen Museums nicht mehr gelassen wird.

Nouveau Réalisme - Kunst und

Wirklichkeit in den 60er Jahren

bis 14. Mai 2006

Pop Art, Realismen der 70er Jahre und Bruce Nauman bis 18. September

MUMOK, Museumsplatz 1, 1070 Wien Di-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr

www.mumok.at

Zu den Ausstellungen "Nouveau Réalisme" (e 29,- ) und "Bruce Nauman" (e 18,- ) sind Publikationen erschienen, die den Beginn von Publikationsreihen des MUMOK darstellen.

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