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Was den Wienern noch Kopfzerbrechen bereitet, haben die Graubündner schon hinter sich: Sie stimmten über eine Olympia-Bewerbung ab -und lehnten ab.

Am Sonntag haben 41.758 Graubündner nein gesagt. Dabei gab es gute Gründe für eine Schweizer Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022: Die Konkurrenz ist nicht besonders stark, die Erfolgschancen standen also gut. Den in die Jahre gekommenen Wintersport-Orten St. Moritz und Davos hätte ein wenig frischer Glanz gutgetan. Zudem hatte der Bund bereits einen gewaltigen Kredit für das Sportfest in Aussicht gestellt - mehr als 800 Millionen Euro.

"Nein“ als sportpolitisches Wetterleuchten

Den meisten Menschen in der Region war das trotzdem zu ungewiss. Knapp 60 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. 53 Prozent votierten gegen eine Olympiabewerbung. Damit ist diese endgültig vom Tisch.Das wiederum hat Konsequenzen, die weit über Graubünden hinausreichen. Das Nein im Gebirge ist ein mächtiges sportpolitisches Wetterleuchten. Dessen Licht lässt vieles, was hier schiefläuft, in scharfen Kontrasten hervortreten. Die Schweiz hat eine besondere Tradition. 1928 und 1948 fanden die Winterspiele in St. Moritz statt. Das Internationale Olympische Komitee residiert in Lausanne. Gemessen an seiner Größe stellt das Land ungewöhnlich viele IOC-Mitglieder: fünf.

Etwa 60 internationale Sportverbände haben ihre Zentralen in der Schweiz, darunter die Schwergewichte des europäischen und des globalen Fußballs. Auch der Internationale Sportgerichtshof tagt in der Schweiz.

Keine andere Nation ist ähnlich eng mit den Mächtigen des Sports verbandelt. Dass nun selbst die Schweizer "Olympia, nein danke!“ sagen, heißt deshalb etwas. Es signalisiert den Lenkern des Sportgeschäfts, dass sie schnell umsteuern sollten. Die Begeisterung bei den Winterspielen 2010 in Vancouver und bei den Sommerspielen 2012 in London hat zwar gezeigt: Steigt die Party einmal, dann wollen alle mitfeiern. Aber immer weniger haben Lust, die Party auszurichten. Grund dafür sind nicht allein die horrenden Kosten.

Gewinne werden privatisiert, Verluste verstaatlicht

Es ist vor allem ein ungutes Gefühl, das abschreckt: Die Einnahmen, die das Großereignis einbringt, wandern zu den Verbänden. Die Kosten aber muss die öffentliche Hand, müssen die Bürger des Ausrichterlandes schultern. Wie viel Abneigung ein solches Szenario, in dem Gewinne privatisiert und Verluste verstaatlicht werden, hervorruft, mussten in der Schuldenkrise die Banken erkennen. Nun deutet sich für die Welt des Sport ein ähnliches Manöver an.

Die Bewerberfelder um Olympische Winterspiele schmelzen zusammen wie Schnee in der Frühlingssonne. 2018 hatten nur noch Pyeongchang, München und Annecy Interesse. Um den IOC-Mitgliedern überhaupt eine Auswahl zu bieten, wurde alle drei zu Kandidaten erhoben. Für die weniger profilierten Olympischen Jugend-Winterspiele 2016 gab es überhaupt nur einen Bewerber: Lillehammer in Norwegen.

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Olympia-Bewerbungen Politikern in allen Ländern die Chance gaben, im Handumdrehen bei einem Thema viel Zustimmung zu finden und damit auch die eigenen Beliebtheitswerte zu verbessern. Doch dieser Trend hat sich umgekehrt. Das Thema Olympia heute ist zur politischen Gefahr geworden. Ein Renner ist es fast nur noch in jenen Ländern, wo es nicht wirklich demokratisch zugeht.

Süddeutsche Zeitung, 5. März 2013

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