Olympischer „Tango korrupti“

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Die „Frankfurter Rundschau“ über die Verirrungen des olympischen Geistes im Internationalen Olympischen Komitee just vor den Spielen in Vancouver.

Großvater Sport ist wieder im Geschäft. Eine der korruptesten Figuren des Weltsports darf weiter Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) bleiben: Lee Kun Hee (68), mehr als zwei Jahrzehnte Chef des Samsung-Konglomerats. Lee hatte im April 2008 nach einem Deal mit der Staatsanwaltschaft seinen Vorstandsposten abgegeben, um einer drohenden Haftstrafe wegen Wirtschaftskriminalität zu entgehen. Verurteilt wurde er dennoch und erhielt wegen Steuerhinterziehung von drei Milliarden Dollar drei Jahre Haft auf Bewährung.

Lee ist Wiederholungstäter. Korruption, Unterschlagung und Steuerhinterziehung sind sein Tagesgeschäft. In Korea gilt ein geflügeltes Wort, dass derjenige ein Narr sei, der sich nicht von Samsung bestechen lasse.

Enorme Summen für Bewerbung

Der Multimilliardär Lee Kun Hee, der seinen Kindern über die Jahre große Teile seines Vermögens zugeschanzt hat, teils auf illegale Weise, ist der wichtigste Mann für die Olympiabewerbung Pyeongchangs. Die Provinzstadt ist im Wettbewerb um die Olympischen Winterspiele 2018 gegen München und Annecy (Frankreich) klar favorisiert. Zweimal war Pyeongchang zuletzt bei IOC-Abstimmungen knapp unterlegen: für 2010 gegen Vancouver und für 2014 gegen Sotschi. In beide Bewerbungen hatte Lee enorme Summen investiert und trat vor drei Jahren auf der entscheidenden IOC-Session gegen den damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Bütt – zum ersten Mal hielt er eine Rede im IOC, allerdings vergeblich.

Lee Kun Hee hat schon die Sommerspiele 1988 nach Seoul geholt. Zuletzt akquirierte Samsung die Leichtathletik-WM 2011 für Daegu und die Asienspiele 2014 für Incheon. In seinem Shilla-Luxushotel, derzeit von einer seiner Töchter geleitet, fanden mehrfach IOC-Sessionen statt. Er ist Träger des Olympischen Ordens. Samsung sponsert zahlreiche Sport-Weltverbände und ist bis 2016 Topsponsor des IOC. Auch in Vancouver stellt Samsung Electronics den Großteil der Kommunikationstechnik.

Alles bleibt in der Familie

Das Herzstück des Samsung-Konzerns wird seit Dezember von Lee Jae Yong geleitet, dem 41 Jahre alten Kronsohn des IOC-Mitglieds Lee. Auch gegen den Sohn war kürzlich ermittelt worden, denn der Herr Papa hatte ihm eine millionenschwere Anleihe des Konzerns weit unter Wert zugeschoben. Der Vater nahm alle Schuld auf sich. Es bleibt alles in der Familie. Im IOC und im Sport. Südkoreas Sportfunktionäre hatten sich im Herbst 2009 kollektiv für eine Begnadigung Lees ausgesprochen. Im Dezember erließ ihm Staatspräsident Lee Myung-Bak die Strafe „im nationalen Interesse“ mit dem ausdrücklichen Auftrag, Pyeongchang die Winterspiele zu sichern.

Die von Präsident Jacques Rogge geleitete IOC-Führungscrew rehabilitierte den geschätzten Kameraden. DOSB-Präsident und IOC-Vize Thomas Bach, ein ausgewiesener Freund Lees, soll wegen eines selbst erklärten Interessenkonflikts vor der Abstimmung den Sitzungssaal verlassen haben. An der IOC-Session in Vancouver darf Lee nun mit Stimmrecht wieder teilnehmen.

Lee war in Korea schon zweimal verurteilt und begnadigt worden. IOC-Kommunikationsdirektor Mark Adams wollte es der Weltpresse in Vancouver allen Ernstes als hartes Durchgreifen verkaufen, dass Lee fünf Jahre lang keiner der zwei Dutzend IOC-Kommissionen angehören darf. Derartig dümmliche PR kam offenbar nur bei der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua an, die tatsächlich berichtete, Lee Kun Hee sei bestraft worden.

I Frankfurter Rundschau, 9. 2. 2010 I

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