Oper als entfesselte Bildorgie

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"Benvenuto Cellini" von Hector Berlioz als letzte Opernpremiere der diesjährigen Salzburger Festspiele.

Benvenuto Cellini - der spektakuläre Raub seiner Saliera hat in der jüngeren Vergangenheit dem Renaissance-Künstler auch abseits der Kunstwelt größte Popularität zuteil werden lassen. Ihm, dem Goldschmied und Bildhauer, der als Künstler für seine Werke gepriesen wurde, der aber auch als Degenheld und Mörder berüchtigt war, hat der französische Komponist Hector Berlioz seine erste Oper gewidmet: Benvenuto Cellini.

Große Herausforderung

Das 1838 an der großen Pariser Oper mit wenig Erfolg uraufgeführte Werk, das nie Eingang in das reguläre Opernrepertoire gefunden hat - die individuelle Musiksprache des Komponisten, deren Neuartigkeit erst spätere Generationen zu schätzen lernten, muss das damalige Publikum erheblich verstört haben - stellt auf Grund seiner Dimensionen gewaltige Herausforderungen an alle Ausführenden dar. Wo also, wenn nicht bei einem großen Festival, sollte man sich einem solchen Werk widmen?

Die Wahl der Berlioz-Oper als letzte Opernpremiere des heurigen Salzburger Festspielsommers war also gerechtfertigt - und auch das lautstark jubelnde Publikum schien die Aufführung zu goutieren. War die Präsentation aber auch festspielwürdig? In Sachen Besetzung sicherlich nicht, denn Burkhard Fritz, der eigentlich nur eine Vorstellung hätte singen sollen, nach der fragwürdigen Absage von Neil Shicoff aber die ganze Serie übernommen hat, bewährte sich zwar als geschmackvoller Interpret, der die Höhen und Kantilenen der Partie gut bewältigte, er kam aber weder sängerisch noch gestalterisch über das Maß des Soliden hinaus.

Ähnlich verhielt es sich mit der ebenfalls eingesprungenen Kate Aldrich (statt Vesselina Kasarova) in der Rolle des zu einem Roboter umfunktionierten Cellini-Gesellen Ascanio, die einen durchaus schönen, flexiblen Mezzosopran vorführte. Äußerst mager fielen hingegen die Leistungen von Brindley Sherratt als Balducci und der meisten Nebenrollen-Sänger aus - und selbst für den Papst Clemens hatte man zwar mit Mikhail Petrenko einen geschmeidig tönenden Solisten, allerdings von sehr eingeschränkter Durchschlagskraft.

Somit blieben als auffallende und über das Mittelmaß hinausgehende Leistungen nur der wendige, stets profilierte und präzise Bariton Laurent Naouri als Cellini-Gegner Fieramosca und die junge Sopranistin Maija Kovalevska als Cellini-Geliebte Teresa - sie präsentierte einen lyrischen Sopran mit blühender Mittellage, herrlichem Timbre und einer sicheren Gesangstechnik, mit der sie Lyrismen, Höhen und Koloraturen der Rolle sensibel und ausdrucksvoll auszukosten verstand.

Im großen Finale ließ Valery Gergiev die Wiener Philharmoniker und die von Andreas Schüller bestens vorbereitete Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor vehement auftrumpfen und verfiel nicht nur einmal in dröhnende Phonzahlen; immerhin setzte er sich aber auch über weite Strecken für eine farbig kontrastreiche, plastisch fein schattierte Umsetzung der Partitur ein, wenngleich es ihm aber andererseits auch nicht durchgehend gelang, der oftmals äußerst kleinteiligen Musiksprache all die notwendige Exaktheit und Punktgenauigkeit angedeihen zu lassen.

Festspielbühne genutzt

Auch was die Szene betrifft, ist die Berlioz-Oper mit ihren großen Chorszenen und Karnevalstableaus hervorragend auf einer riesigen Bühne wie der des großen Salzburger Festspielhauses untergebracht - und zumindest eines muss man Regisseur und Ausstatter Philipp Stölzl auch attestieren: Er weiß mit solch gewaltigen Bühnendimensionen glänzend umzugehen.

Hat er aber auch die eigentliche Oper inszeniert? Eher nicht, denn zu den Personen - waren sie nicht ohnehin zu einseitig skurrilen Witzfiguren umfunktioniert - war ihm wenig eingefallen. Statt überzeugender Personenführungen und der Herausarbeitung der charakterlichen Profile hatte sich der Regisseur auf das szenische "Ausstatten" konzentriert: blinkende Stadtpanoramen, rauchende Schornsteine, Hubschrauber, Eisenbahnzüge, Jongleurtricks, Videoinstallationen - ständig geschieht irgendetwas, ständig ist etwas in Bewegung. Stölzl, der Videos für Größen wie Madonna und Mick Jagger gedreht hat, bietet die Oper in Form eines überfrachteten Videoclips, als ununterbrochene Parade aufgesetzter Effekte.

Das sorgte in einigen Momenten für ausgelassene Heiterkeit im Publikum - letztendlich blieben in dieser überzogenen Show aber die Charaktere und die Handlung auf der Strecke: Die außergewöhnliche Persönlichkeit Benvenuto Cellinis, dem dank seiner Kunst einst sogar Morde verziehen wurden, ist in Salzburg in einer entfesselten Bilderorgie untergegangen. Kein Plädoyer für Berlioz und seine Oper!

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