Hector Berlioz’ "Béatrice et Bénédict“ hielt Einzug im Theater an der Wien. Die Volksoper widmete sich indes weniger erfolgreich Albert Lortzings "Wildschütz“.
Warum nicht einmal einen Ausflug in die heitere Muse wagen, dachte sich Berlioz. Von Shakespeare holte er sich die Inspiration. Wofür dieser fünf Akte benötigte, kompilierte der mit der Opéra comique sonst nicht in Verbindung zu bringende Komponist auf zwei. Das ist, knapp skizziert, die Entstehungsgeschichte von Hector Berlioz’ einziger, auf Shakespeares "Much Ado About Nothing“ beruhenden musikalischen Komödie "Béatrice et Bénédict“. Sie drängte sich, schrieb er, so "rasch in die Feder, dass ich kaum Schritt halten kann“.
Berlioz’ "Falstaff“?
Ein vergessenes Meisterwerk, ein Nebenwerk zu seinem pompösen Opernfünfakter "Les Troyens“, woraus er in "Béatrice et Bénédict“ zitiert? Gar Berlioz’ "Falstaff“? Am besten, man hält sich an den Komponisten, der hier auch sein eigener Librettist war: Er wollte sich einfach im Genre der komischen Oper beweisen und ein Werk im Stile der italienischen Opera buffa schreiben. Entsprechend hat er die Shakespear’sche Vorlage modifiziert, die Handlungsstränge vereinfacht, mit der Figur des Kapellmeisters Somarone seinem Komponistenkollegen Spontini ein parodistisches Denkmal gesetzt.
Verfügt ein Opernhaus, wie das Theater an der Wien, über einen originellen Regisseur wie den sonst als Direktor am Londoner Opernhaus Covent Garden wirkenden Kasper Holten, ist mit diesem Berlioz-Kleinod auch ein amüsanter Abend garantiert. Er hat die Handlung aus dem 16. Jahrhundert in die Zeit von Berlioz versetzt, die Dialoge klug gestrafft, lässt Somarone, der als ungarischer Komponist (überzeugend Miklós Sebestyén) agiert, pointiert extemporieren, und führt die einzelnen Personen so natürlich, dass sich das Ende dieser Komödie wie von selbst ergibt: die Hochzeit der zuvor einander angeblich so gar nicht mögenden Béatrice und Bénédict.
Auch musikalisch klappte es bestens. Leo Hussain, Musikdirektor am Salzburger Landestheater, führte das ORF-RSO Wien und den Arnold Schoenberg Chor mit viel Brio und begleitete mit Schwung die ideal aufeinander eingestimmten, hochkarätigen Solisten, angeführt von Malena Ernman und Bernard Richter in den Titelpartien, Christiane Karg als anfangs etwas scharf artikulierender Héro und Nikolay Borchev als sich zuweilen zu sehr in den Hintergrund spielendem Claudio.
Lortzings "Figaro“?
Nicht ganz mit diesem Niveau mithalten kann die jüngste Volksopernproduktion, die gleichfalls einer komischen Oper galt: Albert Lortzings "Wildschütz“. Wegen der Meisterhaftigkeit der musikalischen Erfindung und weil es sich gleichfalls um eine von gesellschaftskritischen Zügen begleitete Verwechslungskomödie handelt, wird dieser Dreiakter gerne mit Mozarts "Figaro“ verglichen. In dieser Inszenierung von Dietrich W. Hilsdorf wird das nur am Anfang deutlich. Die Finalpointe, dass Graf von Eberbach (leichtgewichtig Daniel Ochoa) und seine Frau (angestrengt in den Höhen Alexandra Kloose) schließlich erkennen müssen, sich in ihre eigenen Geschwis-ter, Baronin Freimann (untadelig Anja-Nina Bahrmann) und Baron Kronthal (solide Mirko Roschkowski), verliebt zu haben, kommt kaum über die Rampe.
Auch Gesellschaftskritisches bleibt in dieser Inszene in Bühnenbildern aus der Entstehungszeit der Oper (Dieter Richter) nur angedeutet. Hilsdorf verlegt zwar den ersten Akt in ein Schulzimmer, lässt aber im Schloßambiente weiterspielen und dafür am Schluss durch Flugblätter verbreiten, dass das Leben der Reichen ein langer Sonntag sei. Lars Woldt, mit viel Animo unterstützt vom Volksopernorchester unter Alfred Eschwé, ließ sich von all dem nicht irritieren und sang und spielte den Baculus mit einer Verve, wie man es sich besser nicht vorstellen kann. Blass sein Gretchen, Elisabeth Schwarz.
Béatrice et Bénédict
Theater an der Wien
weitere Termine: 27., 29. April
Der Wildschütz
Volksoper Wien
nächste Termine: 28. April, 5., 8., 17., 22. Mai
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