Opulente Schaukost über Ein SchauhauS

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Regisseur Johannes Holzhausen gelingt immer wieder ein verschmitzter Zugang: Auch hinter allen Ehrwürdigkeiten menschelt es. Gott sei Dank.

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Regisseur Johannes Holzhausen gelingt immer wieder ein verschmitzter Zugang: Auch hinter allen Ehrwürdigkeiten menschelt es. Gott sei Dank.

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Ein Film, der vor einigen Monaten die "Diagonale", das Festival heimischen Filmschaffens, eröffnet hat. Und nun kommt "Das große Museum" regulär ins Kino. Johannes Holzhausens Annäherung ans Kunsthistorische Museum, diese kulturelle wie touristische Institution größten Schwergewichts, hat es in sich. Schaukost über ein Schauhaus -sozusagen verdoppeltes Sehen: Denn das KHM lebt vom Schauen ebenso wie das Genre Film, und es mutet verwegen an, diese beidenSehweisen miteinander zu verschränken oder in eine kommunikative Auseinandersetzung zu bringen. Ein überaus gelungenes Unterfangen .

Ein Film verändert den Besucher

Der in Wien Ansässige kann ja ganz leicht die Probe aufs Exempel machen: Verändert der Film den Blick auf das Museum? Er tut es zweifellos. Denn die vielen Geschichten, die Holzhausen in mehr als zweijähriger Präsenz im Museum zusammengetragen und dann zu seinem Dokumentarfilm komponiert hat, bestimmen die Wahrnehmung des Museumsbesuchers bewusst und unterbewusst mit. Man steht vor dem "Turmbau zu Babel" , Pieter Bruegel des Älteren "Markenzeichen" des KHM, das zu einer Apotheose am Ende des Films gerät, und hat die Auf-und Abhängung desselben im Hinterkopf und schwankt zwischen der Verehrung eines hehren Kunstwerks und dem Bewusstsein, dass auch dieses nichts als ein Bild ist, das abgenommen und verräumt werden kann -beispielsweise in einen der Speicher des Museums, die hin und wieder auch ins Bild kommen und den Betrachter (des Films!) in der Ansicht bestärken, dass gar viele Schätze im Orkus des KHM versteckt sind, die der Normalsterbliche nicht zu Gesicht bekommt.

Ob das auch für den Direktor des British Museum gilt, der als markanter Besucher im "Großen Museum" auftaucht? Oder sind die Gemäldegaleristen und anderen Museumsbediensten -von der Generaldirektorin bis zu den Hausarbeitern -die einzigen geheim Wissenden?

Filmemacher Holzhausen hat Glück gehabt. Denn zum einen ist es ihm ganz offensichtlich gelungen, "Familienmitglied" in diesem Kosmos namens KHM, das sich überdies ja auf sieben Häuser verteilt, zu werden. Und so kann er von der Pensionierung eines verdienten Sammlungsleiters im Film ebenso erzählen wie von durchaus nicht nur harmonischen Sitzungen eines Branding-Prozesses, wo sich etwa eine Mitarbeiterin des Besucherdienstes beklagt, im Team des Hauses längst nicht so aufgenommen worden zu sein, wie sie es sich vorgestellt hat. Auch die in diesem Prozess entwickelten Strategien und (grafischen) Kennzeichen der Marke KHM finden nicht ungeteilt Zustimmung.

Das alles bedeutet führt jedoch keineswegs zu einem irgendwie düsteren Bild dieses Kosmos -auch wenn der Film natürlich auch der, gelinde gesagt, gedämpften Lichtverhältnisse, die im Museum zwangsläufig herrschen, Rechnung trägt: Die Institution wird vielmehr durch die Menschen in ihr und die Art, wie sie gezeigt werden, lebendig.

Das zweite Glück des Regisseurs war der Zeitpunkt seiner aufwändigen Tätigkeit: Holzhausen konnte das Werden der neugestalteten Kunstkammer, die nach der langen Schließung im März 2013 eröffnet wurde, mit der Kamera begleiten. Wie aus einem leergeräumten Saal mit dem Krampen der Parkettboden herausgerissen wird -solcher Moment muss einem Filmemacher erst einmal "gelingen", und diese Zertrümmerung kann nur einmal von der Kamera eingefangen werden. Von solchen Momenten lebt das "Große Museum" - und auch daran denkt der Besucher, wenn er nun durch die Kunstkammer wandelt und deren berühmtesten Objekt, der Saliera von Cellini, zustrebt.

In diesem Sinn fügt sich auch der Bundespräsident harmonisch ins filmische Geschehen -als Eröffner ebendieser Kunstkammer oder als Gastgeber einer ungenannten Majestät, die von ihm und der KHM-Chefin durch die Schatzkammer -pardon, seit dem Abschluss des Branding-Prozess: "Kaiserliche Schatzkammer" - gelotst wird.

Mit dem Scooter zum Kopierer

Und dann wieder die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches in der Hand von Museumbediensteten - ein unbezahlbares Juwel und dennoch auch ein Utensil wie unzählige andere, die das Museum präsentiert. Eine Restauratorin, die in einem alten Gemälde Neues entdeckt, ein Hausarbeiter auf einer Hebebühne, der oberhalb einer Decke aufgestellte Mottenfallen begutachtet, ein Techniker, der ein mechanisches Schiffsmodell aus dem 16. Jahrhundert zu reparieren sucht. Oder die Mitarbeiterinnen der Gemäldegalerie, die die Aufhängung alter Meister begutachten.

Dann der Wissenschafter, der, weil der Kopierer so weit weg ist, mit dem Scooter zu diesem durch die Fluchten zischt: Wer hätte gedacht, dass in all dieser Größe der Kulturinstitution auch Humor Platz hat? Johannes Holzhausen gelingt immer wieder ein verschmitzter Zugang: Auch hinter allen Ehrwürdigkeiten menschelt es. Gott sei Dank.

Man hatte vor dem Film "Das große Museum" eigentlich wenig Ahnung, was man am Kunsthistorischen Museum so alles hat. Nun weiß man es besser. Und das ist wirklich keine Übertreibung.

Das große Museum A 2014. Regie: Johannes Holzhausen. Stadtkino. 94 Min.

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