"Ordensleute sollen Gott erlebbar machen"

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Samaritanisch. Prophetisch. Geschwisterlich. Kontemplativ. Dimensionen von Kirche, über die am Österreichischen Ordenstag nachgedacht wurde.

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Samaritanisch. Prophetisch. Geschwisterlich. Kontemplativ. Dimensionen von Kirche, über die am Österreichischen Ordenstag nachgedacht wurde.

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"Habt Mut! Jetzt die Welt und die Kirche verändern", lautete das Motto des Österreichischen Ordenstags 2016, der am 22. November im Wiener Kardinal-König-Haus stattfand. Erwin Kräutler, emeritierter Bischof in Amazonien, zeichnete dabei vor den gut 600 anwesenden Ordensfrauen und -männern aus ganz Österreich ein Kirchenbild, das auf vier Säulen ruht: Als erstes nannte der 77-jährige, aus Vorarlberg stammende Altbischof der Xingu-Prälatur in Nordbrasilien die samaritanische Dimension: Wie in Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter sei die Kirche - in Brasilien wie in Europa -zur Solidarität aufgerufen. Kräutler lobte in diesem Zusammenhang das Engagement für Flüchtlinge in Österreich, er nannte aber auch Brasiliens Indigene, vertriebene Landarbeiter oder Opfer von Menschenhandel, denen die Kirche ein barmherziger Samariter sein müsse.

Eindringlich betonte der austrobrasilianische Kirchenmann als zweites die prophetische Dimension der Kirche: Propheten, so Kräutler, seien im Alten Testament als Spiegel Gottes" angesehen worden, als Antwort auf Gottes Frage: "Wer wird für uns gehen?", wie es der Prophet Jesaja (Jes 6,8) überliefert. Auch da nannte er das Beispiel Armut: "Es gibt nicht Arme an sich", so Kräutler, sondern diese Menschen seien arm geworden. Es sei prophetisch, die Frage zu stellen, wer dafür verantwortlich sei.

Die dritte ist nach den Worten des Bischofs die geschwisterliche Dimension der Kirche. Dabei nahm sich Kräutler auch gegenüber seinen Amtsbrüdern kein Blatt vor den Mund und polemisierte gegen die Titelsucht von Exzellenzen und hierarchischen Prunk. Kirche sei hingegen eine Familie, brachte es Kräutler auf den Punkt, Papst Franziskus zeige dies in all seinen Worten und Gesten.

Vom besonderen Charisma, Mystiker zu sein

Mit der vierten, der kontemplativen Dimension von Kirche, sprach der Bischof dann das besondere Charisma gerade der Ordensleute an: Kräutler, als Mitglied der Missionare vom kostbaren Blut ja selbst Ordensmann, forderte diese Dimension gerade von den Ordenschristen ein: Sie sollten Mystiker sein, so der Bischof. Und auch da formulierte er es handfest und griffig: "Die Menschen erwarten von Ordensleuten, dass sie Gott erlebbar machen."

Kräutler, von 1981 bis 2015 Bischof von Xingu, einer der flächenmäßig größten Diözesen der Welt, verbringt auch seinen Lebensabend am Amazonas. Er sprach den in Wien versammelten Ordensleuten Mut zu: Auch wenn in vielen Teilen der Welt Ordensberufungen zurzeit zurückgehen, werde es das Ordensleben weiter geben: "Gott wird immer Menschen berufen."

Der Realität, dass gerade in Österreich die Zahl der Ordensleute stark sinkt, stellt sich auch Abt Christian Haidinger, der am Vorabend des Österreichischen Ordenstags für eine weitere Amtsperiode als Präsident der Superiorenkonferenz der Männerorden wiedergewählt wurde. Abt Christian, der auch der Österreichischen Benediktiner-Kongregation vorsteht, macht sich im FURCHE-Gespräch das Wort von Papst Franziskus zu Ordensleuten zu eigen, dankbar auf die Vergangenheit zu schauen, in der Gegenwart mit Leidenschaft zu leben und die Zukunft voll Hoffnung zu ergreifen. Abt Christian verweist da auch auf das persönliche Zeugnis von Erwin Kräutler, der ja "eigentlich nicht viel 'Erfolg'" vorweisen könne -in der Diözese Xingu, die flächenmäßig so groß wie Deutschland ist, gebe es nur 30 Priester. Trotzdem sei gerade Kräutler jemand, der Hoffnung mache und zu Mut zur Veränderung in Kirche und Welt aufrufe.

Es gibt aber auch Konkretes, das sich der wiedergewählte "oberste Ordensmann Österreichs" für seine neue Amtsperiode vorgenommen hat. Dabei steht an erster Stelle die weitere Zusammenführung der Dachverbände von Männer-und Frauenorden in Österreich. In den letzten Jahren ist durch die Übersiedlung der Vereinigung der Frauenorden Österreichs auf die Freyung, wo die Superiorenkonferenz in Wien ihren Sitz hat, bereits einiges geschehen. Die räumliche Zusammenlegung ist aber nur ein Ausgangspunkt für weitere intensive Zusammenarbeit zwischen den männlichen und weiblichen Gemeinschaften. Abt Christian verweist dabei auf das Modell der Zisterzienser, bei denen seit dem Jahr 2000 auf Weltebene ein gemeinsames Generalkapitel für den weiblichen und den männlichen Zweig errichtet wurde.

Hoffnung auf "mutige Vorschläge"

Auch mit den Bischöfen will Abt Christian die Zusammenarbeit intensivieren. Als positiv bewertet er, dass nun Kardinal Christoph Schönborn in der Bischofskonferenz für die Orden zuständig ist, die ersten Gespräche seien vielversprechend verlaufen und zeigten, wie wichtig es sei, gerade auf oberster Ebene zu kooperieren -denn Ordensleute seien in ganz Österreich aus der Pastoral nicht wegzudenken. Abt Christian will aber auch auf Initiativen der Bischöfe zur Frage des Priesternachwuchses dringen.

Papst Franziskus habe, so Österreichs oberster Ordensmann, die Bischöfe da zu "mutigen Vorschlägen" aufgefordert. Aber solche Vorschläge müssten auch nach Rom getragen werden. Abt Christian will sich da bei den Bischöfen dafür einsetzen, dass sie etwa Vorschläge zu einer Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt auch in Rom artikulieren.

Freiwilliges Ordensjahr und Preis der Orden

Eine Frucht der neuen, gut funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Männer-und Frauenorden ist das Projekt "Freiwilliges Ordensjahr", das soeben in seine Konkretisierungsphase getreten ist (vgl. FURCHE 31/2016). Projektleiterin Ruth Pucher, Ordensfrau bei den Missionarinnen Christi, berichtete auf dem Ordenstag davon. Das "Freiwillige Ordensjahr" ermöglicht interessierten Frauen und Männern, für eine Zeit lang (drei bis zwölf Monate) in verschiedenen Gemeinschaften mitzuleben. Damit soll dem Wunsch von Menschen, an der Spiritualität und im Alltag von Orden teilzunehmen, Rechnung getragen werden. Oft wollen diese Menschen eine Auszeit oder für sich selbst existenzielle Klärungsprozesse ermöglichen. 25 Frauenorden und sechs männliche Gemeinschaften beteiligen sich zurzeit an dem Projekt -im September haben die ersten "Freiwilligen" begonnen.

Beim diesjährigen Ordenstag wurde auch der "Preis der Orden 2016" übergeben, mit dem zum dritten Mal "engagierte Leistungen an den Schnittstellen von Orden und Gesellschaft" ausgezeichnet wurden. Der diesjährige Preis ging in der Kategorie Einzelpersonen an die Ärztin Manuela Baumgartner vom Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz für ihr Projekt "Glück schenken", bei dem Familien mit behinderten Kindern begleitet werden. In der Kategorie Institution wurden die Salesianer Don Bosco und das Jugendzentrum "Sale für alle" im dritten Wiener Gemeindebezirk ausgezeichnet, das eine Oase für Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen darstellt. Anerkennungspreise erhielten zusätzlich der oberösterreichische Unternehmer Otto Hirsch für sein Slum-Projekt in Kenia, Sr. Birgit Dorfmair vom Wiener Hartmannspital sowie die Flüchtlingsinitiative der Albertus-Magnus-Schule in Wien.

Diese seite entstanD in kooperation mit Den orDensgemeinschaften Österreichs. Die reDaktionelle verantwortung liegt bei Der furche.

ausführliche berichte zum ordenstag: www.ordensgemeinschaften.at

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