Orgie der Scheinheiligkeit

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Sommerspiele Perchtoldsdorf: Molières "Tartuffe" als Guru der Gegenwart.

Statt auf die Burgmauer blickt man heuer in Perchtoldsdorf auf eine Wand von weißen Türen. Liegen dahinter die Wege zum Heil oder nur Lauscher und Intriganten verborgen?

Die neu übersetzte und in Michael Sturmingers Inszenierung auf ein anderes - möglicherweise bösartiger gemeintes, aber fast harmloser wirkendes - Ende als sonst hinauslaufende Molière-Komödie "Tartuffe" nimmt nicht Religiosität an sich, sondern den Missbrauch von Religion aufs Korn. Das Drama richtet sich sowohl gegen religiöse Eiferer und Geschäftemacher als auch gegen deren unkritische Gefolgsleute. Wohin Missbrauch der Religion im Ernstfall führen kann, kommt im Programmheft noch mehr als auf der Bühne zum Ausdruck.

Man merkt in dieser Inszenierung, wie Markus Hering als Tartuffe die Macht erst völlig zu Kopf steigt, als ihm der naive Orgon bereitwillig Hab und Gut überschreibt und seine Tochter Mariane zur Ehe geben will. Da dreht Tartuffe die Musik auf volle Lautstärke und tanzt wie ein Besessener über die Bühne.

Mit abrasiertem Schädel und weißem Gewand offenbart er - ob er sich nun selbst geißelt, ein "Om" anstimmt oder suggestiv zu gemeinsamem Gesang einlädt - die Fragwürdigkeit religiöser Praktiken, mögen sie nun katholischen Fundamentalismus, asiatische Guru-Lehren oder amerikanisches Sektierertum zum Ursprung haben.

Leider können dem mit allen Wassern gewaschenen Hauptdarsteller nur wenige andere Akteure dieses Wasser reichen. Jene, die mehr auf der Filmleinwand oder auf dem Fernsehschirm zu sehen sind, vor allem der sich durch Säuseln aus der Affäre ziehende Georg Friedrich (Orgon), bleiben blass.

Dagegen stellen Dorothee Hartinger (als Tartuffe verführende Elmire), Silvia Fenz (als Orgons bigotte Mutter Pernelle) und Josefin Platt (als Marianes kecke Zofe Dorine) ihre handfeste Theaterpraxis unter Beweis.

Das Premierenpublikum würdigte bei kühlem Wetter - wogegen, wie Intendant Wolfgang Löhnert in seiner Begrüßung versicherte, in ein bis zwei Jahren mehr Schutz geboten werden soll - die nicht ganz überzeugende Aufführung eines unbestrittenen Komödien-Klassikers mit reichlichem Sommertheater-Applaus.

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