Pädagogische Anstalt

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Das Wiener Kindertheater präsentiert eine Studie zu seiner Bildungsinitiative und spielt Shakespeares "Wie es Euch gefällt".

Im Jahr 1994 gründete die Schauspielerin Sylvia Rotter das Wiener Kindertheater, das - nach eigener Aussage - einzige Theater Wiens, in dem ausschließlich Kinder für Kinder auf der Bühne stehen. Das Besondere des Wiener Kindertheaters ist aber weder dies, noch die Art der Theaterarbeit nach der so genannten Rotter-Methode. Das Wenige, das dazu bekannt ist, lässt Unterschiede zu anderen theaterpädagogischen Verfahren und künstlerischer Theaterarbeit nicht erkennen. Besonders ist vielmehr, dass vorwiegend klassische Stücke texttreu erarbeitet werden, so etwa von Nestroy, Goldoni, Molière und immer wieder Shakespeare. In diesem Jahr fiel die Wahl auf dessen Komödie "Wie es Euch gefällt". Das Stück wurde seit Jänner mit über 100 Kindern im Alter zwischen sieben und siebzehn geprobt und ist noch bis 20. September in wechselnder Besetzung im Studio Molière zu sehen.

Kein "Kinderstück"

Ein ungeschriebenes Gesetz des Kindertheaters lautet, dass es sich mit deren Realität beschäftigen müsse. Wer "Wie es Euch gefällt" besser kennt, mag sich über die Wahl wundern. Wie kaum in einem anderen Stück von Shakespeare haben die Maskeraden und Liebeswirren hier einen doppelten Boden: einen (homo)erotischen und einen metaphysischen. Es herrscht vor allem das Prinzip der Täuschung, es geht um die Verschiebung der Grenzen zwischen Illusion und Wirklichkeit, um das Vermischen von Liebe und Begehren, die Aufhebung der Gegensätze.

Sylvia Rotter sagt zur ihrer Wahl, es gehe ihr um die Reichhaltigkeit der Sprache, es gehe darum, den Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, aus den Illusionen und Enttäuschungen ihrer digitalen Welt herauszutreten, um Momente des Authentischen in einer Epoche der Simulation wiederzufinden, vermittelt über einen poetischen Theatertext, aus einer Zeit, als die Forderung "Zurück zur Natur" noch eine wirkliche Möglichkeit gewesen sei. Im Stück allerdings wird die Welt vor allem als scheinhafte vorgeführt und das Leben in der freien Natur illusionslos gesehen. In ihr herrscht die gleiche Brutalität wie am Hofe.

Bestechend ist weniger die szenische Umsetzung, die szenische Phantasie, als vielmehr die Spielfreude und die Art und Weise wie die jungen Kinder die kunstvollen Liebesdialoge, die zwischen Poesie, Ironie und Parodie wechseln, darbieten. Vor allem die Liebesszenen im berühmten Ardenner Wald, wo ein Chaos der Zeiten, der Sprache herrscht, die zwischen metaphorischer und wörtlicher Deutung oszilliert, wo (Geschlechter-)Identitäten durcheinander gewirbelt sind (Rosalinde spielt Ganymed, der Rosalinde spielt), werden von den jungen Darstellern bewundernswert gespielt. Schließlich zeigt das Stück auch, dass das Spiel als Möglichkeit dient, zu sich selbst und zu anderen zu finden.

Vor der Premiere stellte Sylvia Rotter gemeinsam mit dem Kinderpsychiater Max H. Friedrich erste Resultate ihrer im Januar gestarteten Bildungsinitiative "Schule für das Leben" vor.

Von März bis Mai 2008 veranstalteten Rotter und ihr Team an zwei Wiener Schulen zweimal wöchentlich jeweils ein zweistündiges Theaterworkshop, mit dem Ziel Kinder in ihrer sprachlichen, kreativen und sozialen Entwicklung zu unterstützen. Insbesondere sollten die Kreativität, Kommunikationsfähigkeit, Teamgeist, Konfliktbewältigung gefördert werden. Die These ist, dass bei den Kindern und Jugendlichen diese Schlüsselkompetenzen durch gezielte Theaterarbeit günstig beeinflusst werden können. Insgesamt haben 126 Kinder der dritten Volkschulklasse an dem Projekt teilgenommen. Die Kinder wurden vor und nach dem Workshop von einem Team der Sigmund-Freud-Privatuniversität psychologisch getestet, wobei insbesondere Faktoren wie Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Gedächtnis, Selbstbewusstsein und Aggressionsbereitschaft untersucht wurden.

Theater für das Leben

Die Ergebnisse bestätigen die Annahmen der Initiatoren: die Kinder zeigten in den meisten Bereichen signifikante Verbesserungen. So konnten etwa die verbale Merkfähigkeit, die Fähigkeit zu antizipierendem Denken sowie die Körperwahrnehmung um beeindruckende fünfzig Prozent gesteigert werden, bei der Aufmerksamkeit, der Genauigkeit in Hör- und Sehwahrnehmung waren es immerhin noch Verbesserungen von 25 bis dreißig Prozent.

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