Panoramablick auf letzte Fragen

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Christoph Willibald Glucks "Iphigenie en Tauride" und Richard Wagners "Tristan und Isolde" bei den Salzburger Festspielen.

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Christoph Willibald Glucks "Iphigenie en Tauride" und Richard Wagners "Tristan und Isolde" bei den Salzburger Festspielen.

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Troja, die Frauen, die Helden, die Liebe: Die Salzburger Festspiele umkreisen diesen Themenblock heuer mit einem Musiktheaterprogramm, das Sonderfälle der Oper wie Berlioz' "Les Troyens" mit Reformwerken wie Christoph Willibald Glucks "Iphigenie auf Tauris" und Publikumsrennern wie Richard Wagners "Tristan und Isolde" zu einem Panoramablick auf letzte Fragen des Lebens, Liebens und Sterbens. Und das Publikum folgt diesem Programmangebot mit Engagement.

Vor allem im Stoff des Trojanischen Kriegs ist eigentlich alles drin: Iphigenie steht da nur für einen ganzen Kosmos: Sie war das erste Opfer dieses Familien ausrottenden, Kulturen zerstörenden Feldzuges, zu dem eitle, zank- und rachsüchtige Götter die Menschen anstifteten: Der Griechenkönig Agamemnon sollte seine Tochter Iphigenie schlachten, um die Götter für das Auslangen seiner Flotte gnädig zu stimmen. Doch die schützende Diana entrückte das Mädchen vom Altar weg auf die Insel Tauris, wo Iphigenie nun als Priesterin Fremde zu opfern hat. Hier setzt Glucks tragische Oper "Iphigenie en Tauride" an: Der Krieg ist vorbei, Troja gefallen. Die Atriden, Iphigenies Familie, haben einander hingemordet. Der Bruder Orest, der seinen Vater durch Muttermord rächte, ist entkommen. Von den Furien des Wahnsinns verfolgt, landet er auf Tauris. Iphigenie soll den Fremden opfern - sie erkennt den Bruder ...

Claus Guth hat den schönen Residenzhof für seine Inszenierung leider völlig zugebaut. Ein purpurroter Saal mit Schiebetüren (Bühne und Kostüme: Christian Schmidt), ein Bett in der Mitte, ab dem 3. Akt Opferpfähle und eine blutige Riesenhand sind die Requisiten. Um die komplizierte Vorgeschichte des Familienmordes zu erklären, lässt Guth stumme Masken auftreten. Am Schluss, wenn die Göttin Diana erneut rettend eingreift und Orest und seinen Freund Pylades vor der Opferung rettet, öffnet sich die Wand für einen Blick aufs Meer. Guths Regie ist zurückhaltend, sparsam, über lange Strecken spannungslos. Selten kommt die Szene über gemessenes Schreiten hinaus.

Umso imponierender ist die Besetzung: Susan Graham strahlt als Iphigenie Sanftmut und mädchenhaften Charme aus; Thomas Hampson ist ein hochdramatischer Orest im Überschwang der Gefühle; Paul Groves ein Pylades mit kraftvollem Tenor; Philippe Rouillon ein wilder, von Angst gefolterter König Thoas. Ivor Bolton kämpfte mit dem Mozarteum-Orchester tapfer gegen den auf die Dachplanen prasselnden Regen. Eine klanglich ausgewogene Wiedergabe war da nur schwer zu erzielen.

Wagners "Tristan" im Großen Festspielhaus kam nach Turbulenzen doch noch zur Festspielpremiere: Statt Claudio Abbado dirigierte Lorin Maazel, statt Ben Heppner (oder Gösta Winbergh) sang Jon Frederic West. In der profillosen Inszenierung Klaus Michael Grübers - nicht mehr als gefälliges Arrangement - auch den hässlichen Bühnenbildern des Malers Eduardo Arroyo - einem Geisterschiff aus weißem Stangenwerk, zwei Riesenbäumen im zweiten Akt und einer desolaten Ziegelfestung im dritten - hat sich seit den Osterfestspielen 1999 nichts geändert. Maazel taucht mit den Wiener Philharmonikern in ein wogendes Klangmeer prachtvoller Farben. Und das Sängerensemble besteht selbst die Fortissimostellen mit strahlenden Stimmen: vor allem die grandiose Waltraud Meier als Isolde, aber auch Jon Frederic West als martialischer Tristan, Marjana Lipovsek als romantische Zauber beschwörende Brangäne, Matti Salminen als tiefgetroffener Marke, Falk Struckmann als stimmmächtiger Kurwenal und Ralf Lukas als Melot. Musikalische Dichte und Dramatik ließ einen da die vernachlässigte Optik wie die bescheidene Deutung vergessen.

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