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Die Indizien für William Shakespeares katholischen Glauben sind bedenkenswert. Hildegard Hammerschmidt-Hummels These.

Wer war William Shakespeare wirklich? Der Film "Shakespeare in Love" zeigte das Genie aus Strat-ford-on-Avon aus einer neuen Perspektive: William als jugendlicher Liebhaber, der eigene Erfahrungen in seinem Drama "Romeo und Julia" verarbeitet. Die vielen Lücken in seiner Biographie bieten die Chance zu ganz unterschiedlichen Shakespeare-Bildern, die alle nicht völlig realistisch, aber auch nicht ganz zu widerlegen sind. So bleibt der meistgespielte Theaterautor der Weltgeschichte ein unerschöpfliches Objekt der Forschung.

Zu den neueren interessanten Theorien über Shakespeare gehört die Vermutung, er sei Katholik gewesen und seinem Glauben treu geblieben, was im England seiner Zeit höchst gefährlich war. Ein Buch der Mainzer Anglistin Hildegard Hammerschmidt-Hummel trägt dazu eine Fülle von Indizien zusammen. Beispiele: finanzielle Aktionen des als Katholik bekannten Vaters, der ungewöhnliche Ort von Shakespeares Hochzeit außerhalb von Stratford - wo noch ein hochbetagter Geistlicher nach katholischem Ritus zelebrierte - , Eintragungen in Diarien und Pilgerbüchern auf dem Kontinent, Shakespeares Beziehungen zu bekannten britischen Katholiken dieser Zeit, Nachrichten über seine als Rekusantin (Katholikin) geltende Tochter Susanna, Shakespeares Erwerb des ehemaligen Klostergeländes Blackfriars in London, das nachweislich katholischen Geistlichen als Unterschlupf diente. Ein Benediktiner soll Shakespeare 1616 auf dem Sterbebett Beistand geleistet haben, im Manuskript eines anglikanischen Geistlichen, der Aufzeichnungen über Shakespeares Leben anfertigte, hieß es später: "He dyed a papist."

Ausgangspunkt dieser spannenden Detektivarbeit ist das so genannte Flower-Porträt des Dichters aus dem Jahr 1609, mit dem ein Madonnenbildnis - möglicherweise aus dem Besitz seiner 1608 verstorbenen Mutter, einer frommen Katholikin - übermalt wurde. Die Autorin verficht die These, Shakespeare sei von seinem Vater, der dafür viel Geld investierte, auf den Kontinent geschickt worden, wo er von katholischen Erziehern jene Bildung erhielt, die einen Teil des Phänomens Shakespeare erklärt, sein umfassendes Wissen auf allen Gebieten, das sich in seinen Werken niederschlägt. Doch reines Buchstabenwissen kann, wie man weiß, tot und langweilig wirken, doch der Geist und die Leidenschaft, die aus Shakespeares Werken sprechen, erwecken alte Stoffe zum Leben, heben sie ins Zeitlose, geben ihnen Bezüge zur Gegenwart, zum Empfinden heutiger Menschen, ohne dass es besonderer Regiemätzchen bedürfte.

Diese mitreißenden Gefühle in Shakespeares Dramen lassen dahinter einen Menschen vermuten, der selbst mit Feuer und Flamme für eine Sache einzutreten bereit war. War das die heimliche Solidarität mit katholischen Glaubensbrüdern, auf die - wenn man Hammerschmidt-Hummel glauben darf - Shakespeare auch an einzelnen Stellen seiner Stücke anspielte? Auf jeden Fall liegt die Frage nach Shakespares Religionsbekenntnis auf einer anderen Ebene als vielfach und gern - und oft mit weit weniger Indizienmaterial - angestellte Mutmaßungen über seine oder anderer Kulturgrößen sexuelle Orientierung. Diese Orientierung ist mit Sicherheit weit weniger vom persönlichen Willen abhängig als ein religiöses Bekenntnis, dem man unter Lebensgefahr treu bleibt. Insofern wirft die in der Fachwelt sicher noch keineswegs allgemein anerkannte und sicher noch gründlicher Überprüfung bedürftige Theorie vom Geheimkatholiken Shakespeare ein sehr interessantes neues Licht auf das Schaffen Shakespeares und den Charakter dieses Dichters.

Die verborgene Existenz des

William Shakespeare.

Dichter und Rebell im katholischen Untergrund. Von Hildegard Hammerschmidt-Hummel. Verlag Herder, Freiburg 2001. 287 Seiten, geb., e 25,50

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