Paradies der Muse

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Kurfürst Carl Theodor - ein bedeutender deutscher Fürst zwischen Barock und Aufklärung.

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Kurfürst Carl Theodor - ein bedeutender deutscher Fürst zwischen Barock und Aufklärung.

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Kein Orchester in der Welt hat es je dem Mannheimer zuvor getan. Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Katarakt, sein Diminuendo ein in die Ferne hinplätschernder Kristallfluß, sein Piano ein Frühlingshauch". C.D.F. Schubart hat poetisch gesagt, was sachlich und glaubhaft von vielen überliefert ist: Das Orchester des Kurfürsten Carl Theodor war "Weltspitze", wie man heute sagen würde. Es hatte sich in den kargen Jahren, da Maria Theresia gegen Preußen Kriege führen mußte, vor allem aus böhmischen und österreichischen Musikern ergänzt, die zum großen Teil auch überdurchschnittliche Komponisten waren. Als der Kurfürst 1777 das Erbe der ausgestorbenen Münchner Linie der Wittelsbacher übernehmen mußte, nahm er es mit in die bayerische Hauptstadt. Mozart wußte es zu schätzen, als er im Karneval 1781 seine Oper "Idomeneo" uraufführen konnte. Er hatte aber auch schon in Mannheim (wo er seine Frau Constanze kennenlernte) die Musiker erlebt.

Carl Theodor (1724 bis 1799) konnte sich lange aus den meisten Kriegen heraushalten und tat viel für die Entwicklung seiner sieben Länder, zu denen am Niederrhein die Herzogtümer Jülich und Berg (Residenz in Düsseldorf), ferner die Territorien Pfalz-Sulzbach, Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld, Bergen op Zoom und schließlich Bayern gehörten. Geboren und aufgewachsen in der Nähe von Brüssel in den damals noch österreichischen Niederlanden, fühlte er sich dort immer noch hineingezogen, als die Bayern ihn nur widerwillig ertrugen. Am liebsten hätte er Bayern gegen die Österreichischen Niederlande getauscht, aber es kam nach heftigen Differenzen mit Kaiser Josef II. nur zur Abtrennung des Innviertels an Österreich. Als er am 16. Februar 1799 gestorben war, gab es ein feierliches Requiem in der Münchner Theatiner-Kirche. Das Volk aber tanzte auf den Straßen.

Man wird also den Mittelpunkt seines Wirkens in Mannheim zu suchen haben. Tatsächlich haben die Mannheimer sein Andenken am treuesten bewahrt. 200 Jahre nach seinem Tod haben sie ihm eine Ausstellung gewidmet ("Lebenslust und Frömmigkeit", bis 30. April), zusammen mit Düsseldorf. Das Mannheimer Reiss-Museum wurde dabei wesentlich unterstützt von der "Gesellschaft der Freunde Mannheims", Nachfolgerin des 1859 gegründeten Altertumsvereins.

Der Besucher von auswärts wird vielleicht einige Mühe haben, aus der Fülle der Zeugnisse regionaler Geschichte, die nur zum Teil in die Ausstellung eingearbeitet sind, die Leistungen Carl Theodors im europäischen Maßstab zu erkennen. Fast unmöglich, die vielen Linien der Wittelsbacher zu entflechten, die sich immer wieder spalteten oder auch ausstarben, was zu Zusammenschlüssen im Erbweg führte und einen ungeheuer verzweigten Stammbaum ergab.

Trotz vieler Reisen zu seinen anderen Besitzungen lag doch der Schwerpunkt von Carl Theodors landesväterlicher Sorge im Bereich der Kurpfalz. Das reichte von der Infrastruktur (Straßen- und Kanalbauten) über eine grundlegende Landwirtschaftsreform und die Gründung von Manufakturen bis zur Pflege von Kunst und Wissenschaft. Hier nahmen die Jesuiten wesentlichen Einfluß. Nachdem 1685 die protestantische Kurlinie ausgestorben war, folgte die katholische Linie Pfalz-Zweibrücken-Neuburg. Im pfälzischen Erbfolgekrieg zerstörten 1685 die Franzosen Heidelberg. 1720 wurde Mannheim die neue Residenz. Die Universität von 1386 blieb zwar in Heidelberg, hatte aber, da es nur schlecht bezahlte katholische Professoren geben konnte, wenig Ansehen. Carl Theodor förderte vor allem die Mannheimer Akademie der Wissenschaften. Heute ist in seinem Schloß, einem der größten Barockbauten Europas, die Mannheimer Universität untergebracht. Das Bibliographische Institut läßt sich auf die "Deutsche Gesellschaft" zurückführen, die 1775 zur Pflege der deutschen Sprache und Vereinfachung der Rechtschreibung gegründet wurde. Carl Theodor trat auch für die deutsche Bühnensprache ein. Die 1768 gegründete Schaubühne wurde 1777 zum Nationaltheater unter der Leitung des Freiherrn von Dalberg. Sie wagte 1782 die Uraufführung von Schillers "Räubern". Mit der deutschen Oper hatte Carl Theodor nicht mehr Erfolg als Kaiser Josef II. Auch noch in seinen Münchner Jahren dominierte das Italienische.

Was Voltaire lobte, Schiller als "Paradies der Muse" pries, zog auch andere Künstler an. Klopstock: "Hier schwimmt man in den Wollüsten der Musik". Und Wieland: "Nach Mannheim muß ich, denn ich will und muß einmal in meinem Leben mich recht an der Musik ersättigen". Es gab im Schloß auch eine große Bibliothek, die öffentlich zugänglich war (In Düsseldorf wurde 1770 die Landesbibliothek eröffnet). Die reichen Gemälde-, Antiken- und Graphik-Sammlungen folgten dann teilweise dem Kurfürsten nach München und bildeten den Kern der Staatlichen Sammlungen. Die Mannheimer trugen es ihrem Fürsten nicht nach. Sie behielten ja vieles. So zum Beispiel das erste deutsche Denkmalschutz-Gesetz, mit dem vor allem archäologische Ausgrabungen bewahrt werden sollten. Das Verlags- und Pressewesen nahm einen Aufschwung. Schulen, Krankenhäuser, Ausbildungstätten für Geburtshilfe und Tiermedizin. ( "Ledige Schwangere, die sich den Hebammenschülerinnen zur Entbindung als Studienobjekte zur Verfügung stellten, blieben laut Erlaß des Kurfürsten von den auf Hurerei stehenden Strafen verschont" heißt es im Katalog). Nimmt man noch die Fürsorge für die Armen und die Gesetze zum Schutz der Bevölkerung vor Verelendung hinzu, erkennt man die Nähe zu Kaiser Josef II. im Zeitalter der Aufklärung.

Aber die Ausstellung "Lebenslust und Frömmigkeit" stellt den Kurfürsten "zwischen Barock und Aufklärung". Die Lebenslust ließ er sich durch Staatsgeschäfte nicht vergällen. Da seine Gemahlin ihm keinen Erben schenken konnte, genoß er Liebe und Familienleben mit Mätressen, deren Kinder er großzügig legitimierte. Von der Lebensfreude zeugen nicht zuletzt Schloß und Park Schwetzingen. Man darf gespannt sein, ob die Ausstellung, die in Mannheim eine Spur zu viel vom Lokalpatriotismus geprägt ist, neue Akzente bekommt, wenn sie vom 1. Juni bis 13. August vom Düsseldorfer Stadtmuseum im Schloß Benrath gezeigt wird.

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