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"Schlaf" von Jon Fosse in der Regie von Luc Bondy als erste große Premiere der diesjährigen Wiener Festwochen.

Die gemeinsame Wohnung beziehen, Kinder aufziehen, alt werden, einsam sterben. Oder die moderne Variante: die gemeinsame Wohnung beziehen, keine Kinder bekommen, sie macht Karriere und zieht aus, er bleibt gebrochen zurück, dann kommen Alter und Tod, wie gehabt. So oder so: das Erwachsenenleben ist eine ziemlich trostlose Sache, wenn man es mit den Augen Jon Fosses sieht. Eine Sicht, der offenbar viele Menschen etwas abgewinnen können, denn der norwegische Dramatiker gehört in Europa, vor allem im deutschsprachigen Raum, zu den meistgespielten Gegenwartsautoren. Die deutschsprachige Erstaufführung seines Stückes "Schlaf" im Akademietheater ist die erste große Premiere des Schauspielprogramms der diesjährigen Wiener Festwochen, die letzten Freitag wie gewohnt am Wiener Rathausplatz feierlich eröffnet wurden. Es inszeniert der Chef persönlich, Intendant Luc Bondy.

Zwei Mietparteien

Die Zeit ist aus den Fugen in diesem lakonischen Stück: In einer unmerklich ihren Grundriss verändernden Wohnung (Bühne: Karl-Ernst Herrmann) leben zwei zeitlich aufeinander folgende Mietparteien in jeweils zwei unterschiedlich alten Verkörperungen ihrer selbst parallel nebeneinander.

Da ist das junge Paar (Mareike Sedl und Philipp Hauß), die in Vorfreude auf den gemeinsamen Nachwuchs die neue Wohnung beziehen und schließlich als greises Paar (Edith Clever und Martin Schwab), geplagt von geriatrischen Leiden und verlassen vom Sohn (Christian Nickel), mit dem Rollstuhl ihre Runden dem Tod entgegendrehen.

Die Partnerschaft ihrer ebenso jungen Nachmieter (Adina Vetter und Raphael Clamer) ist schon im Moment des Einzugs problematisch, mit zunehmendem Alter wird die Entfremdung immer größer, bis die beruflich Erfolgreiche (Sylvie Rohrer) ihrer Wege geht, aber ihrem zusehends heruntergekommeneren Mann (Werner Wölbern) immer wieder kurze Besuche abstattet.

Erst als Gespenster der in der Wohnung Verstorbenen beginnen einige der namenlosen Figuren miteinander zu kommunizieren (falls man diese knappen Dialoge als gelungene Kommunikation betrachten kann). Die von der großen Edith Clever bedrückend real gespielte Greisin könnte auch so etwas wie das personifizierte Gedächtnis des Raumes sein, die Uneindeutigkeit der Figuren ebenso wie die der Regie lässt hier einigen Interpretationsspielraum. Fosses einfache und klare Sprache, die Menschen und ihre Beziehungen auf kahle Gerüste reduziert, erzeugt paradoxerweise genau das Gegenteil von Einfachheit und Klarheit.

Bedrückende Leere

Durch diese elementaren Strukturen freilich pfeift ein kalter Wind. Sinn, Hoffnung, Erlösung gibt es nicht in diesem kargen Raum, nicht einmal Einsichten oder Erklärungen. Eine zentrale Gestalt, zumindest in den Augen des Kritikers, ist "Der Mann" (Klaus Pohl), der nur kurz einmal hereinschaut, der Trostlosigkeit aber schnell wieder den Rücken kehrt. Einer, dem die Leere anscheinend zu wenig ist. Am Ende möchte man mit den Worten Georg Danzers einwenden: "Des kaun do no ned ollas gwesen sein."

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