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Zum 100. Geburtstag von Hans Fronius: Das Essl-Museum konfrontiert Figuren des Spätwerks mit thematisch verwandten zeitgenössischen Bildern der Sammlung.

Er sucht das Schöne nicht, sondern das Wahre, auch wenn es erschreckend ist", so Monsignore Otto Mauer über den Grafiker Hans Fronius. "Er macht dem Publikum weder Konzessionen noch narrt er es mit unmissverständlicher Geste. Er wird kühn und heftig im Ausdruck, aber hasst die Natur nicht."

Vor 100 Jahren wurde Fronius in Sarajewo geboren. An der Hand seines Arzt-Vaters wurde der elfjährige Knabe Augenzeuge des Mordes an Thronfolger Franz Ferdinand und seiner Gattin. "Hol den Koffer!", diese Worte des Vaters hallten ein Leben lang in Fronius' Ohren nach, erzählt Sammlerin Agnes Essl. Sie waren befreundet, zu seinen Ehren konzipierte sie im Schömer-Haus die Schau "Die Figur in der Malerei."

Die Konfrontation mit Gewalt und Tod als Kind, später im Krieg bestimmte das Werk von Fronius. Oft stellte er die Passionsgeschichte Jesu, die Pietà oder Hiob dar, versuchte das Grauen in Franz Kafkas oder Edgar Allan Poes Geschichten in Bilder zu fassen. Alfred Kubin, grafischer Großmeister des Schreckens, der belgische Expressionist James Ensor und Francisco de Goya waren seine persönlichen Leitsterne am Kunsthimmel. Erst als der Kunsterzieher Fronius pensioniert wurde, begann seine intensivste Beschäftigung mit der Malerei. Aus der diesbezüglich stärksten Schaffensphase hängen nun 18 Werke (zehn davon Leihgaben des Stiftes St. Florian) im dritten Stock des Schömer-Hauses.

Agnes Essl konfrontiert herausragende Figuren des malerischen Spätwerks mit thematisch verwandten zeitgenössischen Bildern der Sammlung. Durch den mittigen, runden, über alle Geschoße reichenden Luftraum in Heinz Tesars Schömer-Haus sind die entlang der Galerien gehängten Bilder von verschiedenen Perspektiven aus immer sichtbar. Die Architektur lässt eine konzentrierte Betrachtung aus der Nähe ebenso zu wie den distanzierten Vergleich.

Fronius zeigt sich hier als Einzelgänger, losgelöst von Strömungen und Moden. Konsequent verfolgt er seine Themen, vertieft sie ebenso wie seinen expressionistischen Stil. Dicke, pastos aufgetragene Farbe trifft auf gespachtelte Fläche. Verknappt auf dunkle Augen, rote Strichmünder scheint die Figur fast in der Struktur der Malerei aufzugehen, ohne sich je ganz in ihr zu verlieren. Großzügig und frei malte Fronius seine Frau Christel 1965, ihr flächiges, halb beschattetes Gesicht mit dunklen Augen wirkt sehr zart und fragil. "Meine Eltern" malte er 1986, als beide längst gestorben waren. Schemenhaft scheint das Paar auf winzigen, roten Füßen aus dem Nebel der Erinnerung zu schweben. Die Persönlichkeiten sind doch präsent: eine zarte, blasse Mutter mit Steckfrisur im weißen Kleid, eingehakt in einen leicht hingeworfenen, doch korpulenten Vater mit dem Hauch eines grünen Schnurrbarts. Die Gestalt innerer Bilder malt Fronius, bewegt, fast entgleitend, doch präsent.

Christusbilder von 1987: leicht hingespachtelte Figuren aus Licht, körperlos, von einer magischen Aura umgeben. Wie ein Schutzmantel scheint sie sich unter den Armen des Gottessohnes über die Welt zu breiten. Fronius' Blick auf den Menschen ist vom Glauben geprägt. Fast plastisch hebt sich die Dornenkrone als Zeichen unerträglichen Leides aus dem Bild. Die Pietà (1987): ein weißgraues, pastoses Marienantlitz, umgeben von tiefschwarzem flächigem Haar. Stumpf und tot wie der Schmerz.

Der besondere Reiz von "Figur in der Malerei" liegt im Vergleich. Im zweiten Stock hängen "Blaue Figur" und "Pietà" von Valentin Oman. Aus der Nähe nur malerische Struktur, von weiter weg klar lesbar: ein Korpus mit hängendem Arm und gehobenem Brustkorb. Zoran Musics Figuren erreichen ihre fragile Präsenz durch absolute Reduktion: nackte, ungrundierte Leinwand, zarte Striche, ein Hauch Weiß auf Gesicht und Händen. "Das Leben, der Tod, ich oder Sokrates": in Adolf Frohners Triptychon von 1980 findet sich grafische Darstellung neben malerischer Fläche. Christian Ludwig Attersees frecher "Frauenjesus", Günter Brus' erschreckende Gestalten, Peter Sengls grausame "Hommage an Frida Kahlo", Maria Lassnigs starke Selbstdarstellung in "Woman Power" und "Atlas". Nur einige von 50 Streiflichtern der vielgestaltigen "Figur in der Malerei."

Die Figur in der Malerei

Hans Fronius zu Ehren. Schömer-Haus, Aufeldstrasse 17-23, 3400 Klosterneuburg/Wien. Bis 31.12. 2003: Mo.-Fr. 8-19 Uhr, Mi. 8-20 Uhr, Eintritt frei.

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