Patrioten an der Macht

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Nach den Neuwahlen in Bulgarien muss Bojko Borissow nun mit rechten Populisten gemeinsame Sache machen. Noch vor der Regierungserklärung gibt es Skandale.

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Nach den Neuwahlen in Bulgarien muss Bojko Borissow nun mit rechten Populisten gemeinsame Sache machen. Noch vor der Regierungserklärung gibt es Skandale.

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Mit dem selbsternannten Flüchtlingsjäger Dinko machte Bulgarien vor etwa einem Jahr Schlagzeilen. Angeblich wollten er und Patrioten seinesgleichen der Grenzpolizei zur Seite stehen und die illegalen Migranten von ihrem Weg nach Europa abbringen. Aufschreckende Videos sind im Internet immer noch im Umlauf, wo Fremde, mitunter Kinder und Frauen auf dem Boden liegen, gefesselt von den stolzen "Helden". Nach der Kritik internationaler Medien wurde Dinko aufgehalten, doch nun können "die Rattenfänger" erleichtert aufatmen. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in Bulgarien im März sind mit der Koalition "Vereinigte Patrioten" ihre rechtspopulistischen Ideengenossen an die Macht gekommen.

Die Schließung der Grenzen Europas für Migranten steht bereits im Regierungsprogramm. Das Bestehen paramilitärischer Gruppierungen wird nun schwarz auf weiß toleriert und die militärische Ausbildung und patriotische Erziehung in der Schule eingeführt. Mehr Protektionismus und EU-Skeptizismus sind in Bulgarien zu erwarten. Die Patrioten haben sich nämlich mit einem diskriminierenden Gesetz gegenüber ausländischen Handelsketten im vorigen Parlament durchgesetzt. Von ihnen erkaufte sich nämlich Bojko Borissow für sein früheres Kabinett Loyalität, doch seine Mehrheit blieb stets wackelig -ein Grund Neuwahlen zu erwirken. Nach der Schlappe bei den Präsidentschaftswahlen im November löste Borissow seine Mitte-Rechts-Regierung auf. Mit diesem Rücktritt hat er einen hohen Einsatz gewagt - und gewonnen. Er verfehlte aber die absolute Mehrheit und musste sich mit den "Vereinigten Patrioten" arrangieren.

Es handelt es sich dabei um ein Wahlbündnis dreier nationalistischer Parteien. Strukturell sind sie nicht einheitlich. Auch ideologisch blicken sie in verschiedene Richtungen.

Besonders polarisierend ist die Rolle Russlands. Die von Kreml finanzierte "Ataka" hat sich bislang für einen Nato-Austritt eingesetzt, für ihre gegenwärtige Bündnisgenossen aus der WMRO sind dagegen die bulgarischen Nationalinteressen mit den Interessen Moskaus unvereinbar.

Stabilität gesucht

Die Suche nach einer stabilen Mehrheit gestaltet sich für den designierten Regierungschef Borissow nicht einfach. Er kann aber auch mit der Unterstützung der populistischen Partei Wolja des Großunternehmers Wesselin Mareschki rechnen, der mit seiner Apothekenkette die niedrigsten Preise für Medikamente hält und sich für soziale Gerechtigkeit stark gemacht hat. Soziale Verantwortung suggeriert auch das Regierungsprogramm der Konservativen in Form von höheren Löhnen und Renten und vom Staat schön sanierten Wohnhäusern. Doch Beobachter sehen darin eher Populismus und keineswegs Veränderungen, die Wohlstand und soziale Sicherheit schaffen könnten.

Ob die Mitte-Rechts-Partei mit den neuen Koalitionspartnern noch weiter nach rechts schwenken würde? Mit den liberalen Werten hat auch Borissow nicht wirklich etwas am Hut.

Er hat lange vor Ungarn die Mauer gegen die Flüchtlinge über die ganze Landesgrenze zur Türkei ausbauen lassen, nur stimmte er seine Handlungen im vorab "mit den Chefs" von der Europäischen Volkspartei ab. Seine Partei Gerb, die "Bürger für eine europäische Entwicklung" im Parteinamen trägt, ist mit kleinen Unterbrechungen seit 2009 an der Macht.

Flüchtlinge raus

Mit den Rechtsextremen kommen allerdings nicht nur Xenophobe an die Macht, die ohne zu zögern die Flüchtlinge in Gefängnisse an der Grenze und Roma hinter Mauern außerhalb der Städte sperren würden, wäre Bulgarien nicht ein EU-und Nato-Mitglied.

Waleri Simeonow, einer der Parteichefs der Patrioten, muss sich vor Amtsantritt der neuen Regierung heftige Vorwürfe gefallen lassen. Als Eigentümer des sehr populären Senders für nationalistische Propaganda SKAT gehören ihm Hotels unweit der türkischen Grenze, in denen angeblich Grenzer untergebracht werden. Medien zufolge dürfte er Teile des Gewinns an Militärs in leitenden Positionen abgeben, damit sie die Soldaten mit Steuergeldern in seinen Hotels einquartieren.

Ein Teil des Personals dürften Mitarbeiter seines TV-Senders sein, die ohne zusätzliche Bezahlung nach der redaktionellen Arbeit verpflichtet werden, in die Hotels Gäste zu bedienen. Menschen, die in der Grenzgegend wohnen und das Geschäft mit der Unterbringung mitverfolgen, sprechen von regelrechter Ausbeutung.

Kein Grund für Ermittlungen?

Versuche einiger Vertreter der Justiz vom Obersten Gerichtsrat, eine unabhängige Ermittlung der Vorwürfe zu erreichen, blieben bisher erfolglos. Weder der designierte Premier Borissow, noch die bereits tagende Volksversammlung oder gar der Präsident Rumen Radew haben sich für die Aufklärung des Falls eingesetzt. Mehr noch: Vor den Parlamentswahlen dürfte Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow in einem persönlichem informellen Treffen den Zeitungsverleger Sascho Dontschew unter Druck gesetzt haben, der in seiner Zeitung Sega über den Fall berichten ließ.

Gerade die gravierenden Einschränkungen der Medienfreiheit in Bulgarien machen es ein absolutes Schlusslicht in der EU nach dem Ranking von "Reporter ohne Grenzen". Innerhalb von zehn Jahren ist es vom 35. auf den 109. Platz abgerutscht und steht bereits hinter Ländern wie Uganda. Die Gefahr, dass mit der neuen Regierung nicht die demokratischen Regeln, sondern die informellen Machenschaften noch mehr an Oberhand gewinnen, ist deshalb nicht kleiner geworden. Im Gegenteil.

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