Patscherter, aber verliebter Brenner

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"Der Knochenmann": Wolfgang Murnbergers dritte Wolf-Haas-Verfilmung hält sich nur bedingt an die Vorlage.

"Fabelhaft! Es ist so eine Art Alpen-,Fargo' mit pointierten Dialogen und dem unterhaltsamsten Ösi-Detektiv seit, Kottan ermittelt'." Zu solcher Hymne raffte sich die Bild-Zeitung auf. Auch ein publizistischer Antipode wie die Berliner taz mochte da nicht nachstehen: "Und so doppelbödig jedes Bild durch einen rasanten Schnitt seinen Gegenpart erfährt, so doppelzüngig schön sind auch die Dialoge. Die zergehen wie Zartbitterschokolade auf der Zunge." Deutschland jubelte über den "Knochenmann" - bislang dritte Verfilmung eines Brenner-Krimis von Wolf Haas -, die auf der Berlinale ihre Premiere hatte.

Prognostizierte Ovationen

Die tatsächlichen und die geschriebenen Ovationen sind gut für den Erfolg in Deutschland. Selbiger wird sich zweifelsohne auch hierzulande einstellen. Josef Hader als Brenner ist Kult. Das beweist auch sein drittes Mal unter Wolfgang Murnbergers Führung: Brenner ist diesmal gar kein Privatdetektiv mehr, sondern Spezi Berti (einmal mehr: Simon Schwarz) beschäftigt ihn als Inkasso-Eintreiber für ausgebliebene Leasingraten. Dabei verschlägt es Brenner in die südoststeirische Backhendlstation Löschenkohl, wo sich nicht nur die Füchse gute Nacht sagen, sondern auch das Grauen beiläufig zu Hause ist.

Brenner sucht den Autoleaser Horvath, dem - weil dieser verschwunden ist - er aber die letzte Mahnung nicht überreichen kann. Dafür verstrickt sich der patscherte Expolizist in eine Affäre mit der Löschenkohl'schen Schwiegertochter (Birgit Minichmayr) und gerät in eine Auseinandersetzung um Menschenhandel und Mord. Der alte Löschenkohl (Josef Bierbichler) scheint seine Knochenzertrümmerungsmaschine nicht nur zur Restverwertung seines Backhendlfließbandbetriebs zu nutzen: Wenn Brenner Löschenkohl für sein zartes Gulasch lobt, dann weiß der Zuschauer mehr als die Hauptfigur - und das heißt gar nichts Gutes.

Apropos Hauptfigur: Auch was die egomanische Filmpräsenz betrifft, spielt der eine Josef (Bierbichler ) den anderen (Hader) glatt an die Wand. Außerdem sind die Charaktere auch in den Nebenrollen gut ausgesucht: Christoph Luser als schwächlich-missratener Löschenkohl-Sohn Pauli ebenso wie Ivan Shvedoff als Erpresser Igor, der Löschenkohl senior das Leben schwerzumachen sucht: Den Alten hat es - wegen Triebbefriedigung, aus der dann Liebe wird - ins nordöstliche Ausland verschlagen. Als er die Prostituierte Valeria (Dorka Gryllus) dann in sein Backhendlparadies heimführt, beginnt der Showdown erst richtig.

Der irritierte Romanleser

Als Brenner-Gefährte Berti wieder ins Spiel kommt, darf dieser sich in den dann doch auftauchenden Horvath mit pikantem Geheimnis (auch diese Rolle mit Pia Hierzegger perfekt besetzt) verlieben. Was macht es dann schon, wenn in solchem, wie skizziert: gefeierten Film die Anklänge an die einschlägigen Werke der Gebrüder Coen wichtiger sind als die Werktreue zur Romanvorlage? Denn das gleichfalls gefeierte Buch von Wolf Haas hat mit dem gleichnamigen Film weniger zu tun, als man vermutet: Löschenkohls Schwiegertochter etwa kommt im geschriebenen "Knochenmann" nur als Verschwundene vor, aber wer Birgit Minichmayr - die ja auf der Berlinale auch den Silbernen Bären erhielt, wenn auch für eine andere Filmrolle - auf der Besetzungsliste hat, braucht ebenso den entsprechenden Plot dafür wie für einen Josef Bierbichler. Da geht sich dann sogar eine Liebesgeschichte zwischen Birgit (die bezeichnenderweise den gleichen Vornamen wie ihre Darstellerin Minichmayr hat) und Brenner/Hader aus.

Dass unter den gegebenen Umständen einiges an Witz und die je eigenen Abgründe der "Vorlage" auf der Strecke bleiben, mag den Fan des Romans "Der Knochenmann" irritieren. Aber das Publikum des Films kommt - was eben Witz, Absurdität und Abgrund betrifft - sicher auf seine Rechnung.

Der Knochenmann

A 2008. Regie: Wolfgang Murnberger. Mit Josef Hader, Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr. Verleih: Lunafilm. 121 Min.

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