Die Wahlen in Montenegro dürften keine Entscheidung gebracht haben. Befürworter der Unabhängigkeit und solche der Gemeinsamkeit mit Serbien stehen einander etwa gleich stark gegenüber - Jahrhunderte alte Unterschiede wirken nach.
Die gemeinsame Sprache ist zu wenig, um die Einheit festzuhalten. Selbst die orthodoxe Kirche ist gespalten. Die Sonderstellung der Crna Gora unter ihrem geistlichen Fürs-tengeschlecht der Negos gegenüber Altserbien unter osmanischer Herrschaft hat nicht nur westliche Spötter angeregt, sondern auch das Selbstbewusstsein ihrer Menschen geprägt. Die Vereinigung mit Belgrad 1918 wurde am Schwarzen Berg nur ungern zur Kenntnis genommen - 1991 erschienen auch König Nikitas Nachkommen als Thronprätendenten auf der Bildfläche. Aber Titos Partisanen wurden im Krieg gegen die Deutschen nicht unmaßgeblich von Montenegrinern angeführt. Die Anerkennung als Teilrepublik im kommunistischen Jugoslawien war der Dank.
Die Sorge im Westen ist berechtigt, dass ein unabhängiges Montenegro den weiteren Zerfall der Balkanregion beschleunigen könnte. Aber die Zeit ist wohl noch nicht reif für den Gedanken, Anleihen im alten Österreich-Ungarn zu nehmen und aus (Alt)Serbien, Montenegro, der Vojvodina und dem Kosovo einen Bund von vier autonomen Staaten mit gemeinsamer Außen- und Finanzpolitik werden zu lassen, der in weiterer Folge auch für Mazedonien und Bosnien-Herzegowina attraktiv werden könnte. Da müssten noch viele Serben und Montenegriner über den eigenen Schatten springen. fg
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