"Phänomene in ihrer Existenz“

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Wenn Kritiker ohne Kamera diskutieren, wird es gleich etwas gemütlicher. Zumindest bekam man vergangenes Wochenende in der Schlossgärtnerei Wartholz in Reichenau an der Rax diesen Eindruck, wo nun bereits zum vierten Mal Autorinnen und Autoren Prosa und Lyrik vorlasen und von einer vierköpfigen Jury bewerten ließen. Die Inszenierungsgelüste, die Veranstaltungen wie der Bachmannpreis bei Kritikern hervorrufen, fallen hier, fern des Fernsehstudios, weg: Man diskutiert vor jener Runde an Literaturinteressierten, die in diesem Veranstaltungsraum der Schlossgärtnerei Platz finden, und man spricht über die Texte meist mit Respekt. Franz Schuh sorgte für interessante philosophische Exkurse; was fehlte, war eine Moderation. Nicht weil sich die Juroren zu sehr gestritten hätten, sondern eher im Gegenteil: Weil es selten zu Gesprächen kam; oft wurden nur die einzelnen Statements abgegeben - und das war es dann auch schon. Ab und zu fehlte ein kritisches Hinterfragen der Urteile der Juroren.

Der Literaturpreis, der jedes Jahr in Wartholz verliehen wird, ist mit 10.000 Euro außerordentlich hoch dotiert, und die diesjährige Siegerin Regina Dürig durfte sich sogar doppelt freuen: Sie nahm nämlich auch noch den mit 2000 Euro dotierten Publikumspreis mit nach Hause. "Inventuren. Phänomenologische Felder“ heißt der kurze Prosatext, mit dem die in Biel (CH) lebende Autorin das Rennen machte. Die Jury lobte die besondere Konstruktion des Textes, der sich offensichtlich von Inger Christensens Gedicht "Alphabet“ inspirieren ließ. Vermutlich war es die Art, wie Dürig ihren Text vorlas, die ihr zur Auszeichnung durch Jury und Publikum verhalf. Die Jury jedenfalls begründete ihre Wahl damit, dass die Autorin "Phänomene in ihrer Existenz deutlich“ mache. "Sie erscheinen in klugen Gruppierungen von Angst, Alter und Abschied einerseits, Wiederholung, Wunsch und Spiel andererseits. ‚Inventuren‘ ist intelligent und sinnlich.“

Der Newcomerpreis ging an Silvia Wolkan. Sie erhält damit die Möglichkeit, im Braumüller Verlag zu veröffentlichen. "Die Erzählung ‚Im Inneren der Wirtin‘ steht in einer guten Tradition des Skurrilen, Surrealen und zugleich der realistischen Kritik an provinzieller Enge und Aggressivität“, begründeten die Juroren Katja Gasser, Bernhard Fetz, Konstanze Fliedl und Franz Schuh ihre Entscheidung. Der eindrückliche, dichte Text von Silvia Wolkan weist Bilder und Szenen auf, die auf das Naheverhältnis der 1980 in Oberstdorf geborenen Autorin zum Film hinweisen. Wolkan studiert zurzeit an der Hochschule für Fernsehen und Film in München.

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