Phantom-Debatte oder reales Problem?

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Wenn es ums Burka-Verbot geht, ist sogar das zerstrittene Belgien einig. Dabei ist ein derartiges Verbot alles andere als unumstritten. Nachfragen zur Diskussion bei einem französischen Laizisten und bei heimischen Politiker/-innen mit muslimischem Hintergrund.

A m Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen ist die belgische Regierung vor wenigen Tagen gescheitert. Auf anderer Front dagegen ist sich Belgien – genauer: das belgische Parlament einig. Letzte Woche stimmte die Volksvertretung einstimmig für ein Verbot der Ganzkörperverschleierung. Die Würde der Frauen müsse verteidigt werden, so der parlamentarische Konsens im sonst so zerstrittenen Land. Dabei ist solch ein Verbot bei Juristen wie bei Integrationsexperten umstritten. Und: Die Ganzkörperverschleierung stellt auch in Belgien weniger ein reales Problem dar, deren Verbot zeitigt also vor allem symbolischen Charakter.

Auch in Frankreich problematisch

Das Symbolische scheint zurzeit europaweit im Trend zu liegen. Auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy macht sich für ein „Burka-Verbot“ stark, obwohl ihm das oberste Verwaltungsgericht davon abgeraten hat: Das Verbot könnte vom Verfassungsgericht annulliert werden. Der französische Politikwissenschafter und Immigrationsexperte Patrick Weil teilt diese Ansicht. Weil war vor 2004 Mitglied der Beratungskommission für den damaligen Staatspräsident Jacques Chirac zum Kopftuch-Verbot an Schulen: Seit 2004 ist in französischen öffentlichen Schulen das Tragen „auffälliger religiöser Symbole“ verboten. Patrick Weil, der sich kürzlich beim Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien aufhielt, argumentierte gegenüber der FURCHE, dass dies gerechtfertigt war: „Wir haben das Tragen des Kopftuches in den öffentlichen Schulen unterbunden, weil muslimische Schülerinnen ohne Kopftuch von anderen Muslimen unter Druck gesetzt wurden, auch ein Kopftuch zu tragen.“

Aber, so Weil, die Schule sei ein begrenzter Ort, an dem auch Ganzkörperschleier nicht gestattet seien. Doch, so der überzeugte Laizist, sei es schwierig, das Tragen einer Burka zu verbieten, ohne elementare Menschenrechte anzugreifen: „So eine Person kann ja schon jetzt weder eine Schule noch eine Bank betreten, sie kann nicht in den öffentlichen Dienst gehen oder in einer Firma arbeiten, denn dort wird man ihr sagen, dass sie ihr Gesicht zeigen muss.“ Es gebe in Frankreich also schon viele Einschränkungen für Ganzkörper-Verschleierte, aber, so Weil: „Ich glaube nicht, dass man aufgrund unserer Verfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention jemandem verbieten kann, auf die Straße zu gehen, wenn sie hungrig ist oder ein Spital aufzusuchen, wenn sie krank ist.“ Es handle sich auch nicht um eine Frage, die das Land wirklich betreffe. Viel wichtiger seien Arbeitslosigkeit oder Diskriminierung, auch im Verhältnis von Staat und Religion gebe es Dringlicheres. Weils Einschätzung findet bei den Regierenden allerdings keinen Widerhall, Präsident Sarkozy setzt weiter aufs Verbot.

Nie eine Burka-Trägerin gesichtet

Entsprechendes gilt auch für Österreich. Hier weist die Pressesprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Carla Amina Baghajati, darauf hin, dass hierzulande eine Burka-Trägerin „noch nie gesichtet“ worden sei. Sehr vereinzelt werde der Niqab, der Gesichtsschleier, getragen, aber auch der vor allem von Wien-Besucherinnen aus dem Nahen Osten. Baghajati: „Durch ein Verbot würden Frauen nicht automatisch ‚vor Unterdrückung geschützt‘.“ Vielmehr verrate diese prinzipielle Annahme, „wie verbreitet das Klischee der ‚unterdrückten, durch den Mann gelenkten‘ muslimischen Frau doch sei.

Dennoch ist ein „Burka-Verbot“ auch hierzulande ein Thema. Die Obfrau der ÖVP Wien, Familien-Staatssekretärin Christine Marek, fordert ein generelles Burka-Verbot im öffentlichen Raum, auch Bundeskanzler und SP-Vorsitzender Werner Faymann hält – mit Verweis auf Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek – ein solches für denkbar.

Was aber meinen Politiker/-innen mit muslimischen Hintergrund zu diesen Vorstößen? Bevor Marek ein Verbot fordere, solle sie erheben, wie viele Burka-Trägerinnen es in Österreich gibt, so die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun in einer Aussendung. Ein Verbot würde lediglich der „der Stimmungsmache gegen Musliminnen dienen“, so die Nationalrätin.

Die Integrationsbeauftragte der ÖVP Wien und Landtagsabgeordnete Sirvan Ekici hingegen hat „kein Problem mit einem Burka-Verbot“. Die Äußerungen von Partei-Obfrau Marek wären vor dem Hintergrund der belgischen Diskussion gefallen. Außerdem sei die Burka eine kulturelle Tradition und keineswegs im Koran verankert. Und es gebe, so Ekici zur FURCHE, ja auch ein Vermummungsverbot in der Öffentlichkeit; auch von daher verstehe sie, dass das Tragen einer Burka in Diskussion sei. Die VP-Abgeordnete will aber keineswegs Stimmungsmache betreiben, sondern diese Frage offen und auch mit der muslimischen Community diskutieren. Denn die Probleme muslimischer Frauen seien mit einem Burka-Verbot nicht aus der Welt geschafft.

Eine völlig grundlose Debatte?

Ekicis muslimisches Pendant bei der SPÖ-Wien ist gegen das Verbot: Landtagsabgeordneter Omar Al Rawi hält eine Anti-Burka-Gesetzgebung gar für „kontraproduktiv“. Eine liberale Gesellschaft, so Al Rawi zur FURCHE, sollte auch aushalten, was einem nicht gefalle. Al Rawi ortet, dass einmal mehr Ressentiments geschürt würden.

Aber was sagt der Wiener SP-Mandatar dazu, dass sich Parteifreund und Bundeskanzler Werner Faymann sehr wohl ein Verbot vorstellen kann? Al Rawi entgegnet, von der Wiener SP seien ganz andere Äußerungen gekommen: Frauen- und Integrations-Stadträtin Sandra Frauenberger habe klar erklärt, dass diese Debatte völlig grundlos sei, weil Burka-Trägerinnen eben eine „verschwindende Minderheit“ darstellten.

Die muslimische VP-Politikerin Ekici kritisiert in dieser Frage aber auch die Glaubensgemeinschaft: Die hätte das alles längst selber thematisieren und nicht der Politik überlassen sollen. In der Sache scheint IGGiÖ-Sprecherin Carla Amina Baghajati da gar nicht weit entfernt: Die Debatte zeige auf, wie wichtig ein substanzieller Dialog zwischen Frauen sei, „denen Frauenrechte ein Anliegen sind“.

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