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Abrechnung mit dem Darwinismus

19451960198020002020

Darwin und die Folgen. Zur Geschichte und Kritik der Entwicklungslehre. Von Robert E.D. Clark. Uebertragung aus dem Englischen („Darwin before und after") von Maximilian Fischer-Lede- nice. Verlag Herold, Wien. 236 Seiten. Preis 68 S

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Darwin und die Folgen. Zur Geschichte und Kritik der Entwicklungslehre. Von Robert E.D. Clark. Uebertragung aus dem Englischen („Darwin before und after") von Maximilian Fischer-Lede- nice. Verlag Herold, Wien. 236 Seiten. Preis 68 S

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Wenn ein bekanntes Wort lautet: „Die Geschichte der menschlichen Wissenschaft ist die Geschichte menschlicher Irrtümer", so trifft dies besonders auf die Geschichte der Entwicklungslehre zu, die als Deszendenztheorie oder Evolutionismus lange das Denken der zivilisierten Menschheit beherrscht hat. Wir unterscheiden hierbei Deszendenztheorie als die theoretische naturwissenschaftliche Grundlage und Evolutionismus als praktische Anwendung und Lebenslehre; ähnlich, wie wir zwischen theoretischem und praktischem Malthusianismus unterscheiden. Die Praxis ergibt sich logisch aus der Theorie; daher ist Darwin voll verantwortlich für die letzten praktischen Konsequenzen des Selektionismus, über die der Nürnberger Prozeß zu urteilen hatte. Wie weit die Richter selbst frei waren von dieser Ideologie, ist eine andere Frage. Der geistige Wegbereiter išt für die Konsequenzen verantwortlich — ähnlich wie Rousseau und Voltaire für die Blutopfer der Revolution.

Das vorliegende Buch ist eine erschütternde Entschleierung der letzten Hintergründe des Darwinschen Selektionismus, sowohl hinsichtlich seiner Vor- und Entstehungsgeschichte wie auch seiner letzten Konsequenzen. Es ist bemerkenswert, daß es von einem Engländer geschrieben ist, da Darwin in England geradezu als Nationalheros gefeiert wird.

Das Werk ist ein so bedeutsamer Beitrag zur Kritik der Deszendenztheorie und ihrer wissenschaftlichen Grundlagen, daß es eine eingehendere Besprechung fordert. Clark führt den Evolutionismus geistesgeschichtlich bis auf A,n arini a n d e r, Empedokles und Heraklit zurück. Für Darwins Lehre vom „Kampf ums Dasein" hat Heraklit mit dem Satze „Der Kampf ist König und Vater aller Dinge" bereits den Grund gelegt. Darwin hat die christliche

Konsequenz aus der Schöpfungslehre, daß das Weltall ein harmonischer Kosmos sei, abgelehnt; an Stelle planmäßiger Ordnung und innerer Zielstrebigkeit (Teleologie) sieht er nur Kampf, Disharmonie und Dysteleologie als Wesen der Natur.

Im 1. Kapitel wird das Problem der Urzeugung (generatio spontanea) kritisch untersucht. Das gesunde christliche Denken hat von jeher die Auffassung abgelehnt, es könne Leben aus Unbelebtem entstehen (17). Heidnisches Denken sah dagegen von je im unendlichen Kreislauf von Werden und Vergehen das Wesen der Natur. Mit einer höchst fragwürdigen Logik erklärt E. Haeckel: „Die spontane Entstehung von Lebewesen muß eine Tatsache sein" — nicht weil sie erwiesen wäre —, sondern: „weil man sonst an einen Schöpfer glauben müßte!" (19).

Das 2. Kapitel („Mensch im Menschen") behandelt das früher stark umstrittene Problem „Präformation oder Epigenesis?" — Die Vertreter der generatio spontanea nahmen auch die Epigenese an, d h. die Hinzuentwicklung neuer, nicht präformierter Elemente. Mit der Präformation ließ man auch die Schöpfungslehre fallen und umgekehrt (37).

Das 3. Kapitel („Vor Darwin") geht davon aus,

daß das Mittelalter die Unveränderlichkeit der Arten lehrte. Es war der Nominalismus, der mit der Realexistenz der Universalien auch die Konstanz der Arten untergrub. Damit beginnt sich das ganze Bild der Natur vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zu wandeln (46). Linnė (gestorben 1778) war noch überzeugt, daß die Arten unveränderlich seien, desgleichen Cuvier (gestorben 1832). Die Annahme einer Evolution hatte allerdings lange vor Darwin Anhänger. Es ist fraglich, ob Darwin etwas wirklich Neues hinzugefügt hat (51). Lord Monbodo (gestorben 1799) sprach schon von einer weitgehenden Verwandtschaft zwischen Menschen und Affen (53); er glaubte an die Möglichkeit von Kreuzungen zwischen Menschen und Affen. L a- m a r c k entwickelte seine Theorie der „Ge- brauchsvererbung" (54). 1844 erschien Chambers Werk „Vestiges of the Natural History of Creation" (56), in welchem er versuchte, einen christlichen Evolutionismus zu begründen. Sedgwick lehnte dieses Buch 1845 schroff ab (59).

Kapitel 4 schildert den folgenden Siegeszug des Evolutionismus. Es geht bemerkenswerterweise aus von Thomas Malthus, dessen Vater Daniel ein begeisterter Anhänger von Rousseau war. Malthus lehrte, die Menschen seien „zum Kampf ums Dasein verdammt" (62). Darwin ist außerordentlich stark von Malthus beeinflußt worden: Malthus hätte als erster die Bedeutung des Existenzkampfes für die Biologie erkannt (67). Darwin sollte in seiner Jugend Theologie studieren, vernachlässigte jedoch seine Studien in ausschweifendem Leben und durch Glaubenszweifel (65 ss.). Er vermied es, theologische Schriften zu lesen und wandte sich anderen Interessen zu. Die Schriften seines Großvaters Erasmus erweckten in ihm evolutionistische Gedanken (66).

1859 erschien Darwins Buch „Die Entstehung der Arten", das den Siegeszug des Evolutionismus begründete. Allgemein bekannt ist, wie weit Darwin hinsichtlich des Entwicklungsgedankens auf den Schultern von Lamarck steht. Weniger bekannt ist, wie weitgehend dies auch hinsichtlich von Malthus der Fall ist. Der Malthusianism u.s unserer Zeit stellt zusammen mit dem Evolutionismus und Selektionismus das Hauptfundament des naturwissenschaftlichen Materialismus dar.

Der erfolgreichste Helfer entstand Darwin in Thomas Huxley. Geradezu dramatisch ist die Schilderung der großen Diskussion in der British Association am 28. Juni 1860. Huxley trat dort gegen den Bischof Samuel Wilberforce auf, dessen Argumente gegen die Evolution er lächerlich zu machen und die Lacher auf seine Seite zu bringen wußte. Mit diesem Siege sophistischer Dialektik begann der Welterfolg Darwins.

Die folgenden Kapitel stellen die Auswirkungen des Darwinismus dar. Innerhalb kurzer Zeit führte die Entwicklungslehre einen völligen Umschwung des wissenschaftlichen Denkens der ganzen Welt herbei. (86). „Die Evolutionslehre gab einen ausgezeichneten Stock ab, mit dem man die Theologen prügeln konnte“ (88). Auch soziologische Momente spielten mit. Die Lehre kam den Tendenzen sowohl des Kapitalismus wie des Sozialismus entgegen; den letzteren als Argument für die Weltanschauung des dialektischen Materialismus. Darwin wurde als Naturforscher an die Seite von Galilei und Newton gestellt (91). Die Menschen waren bereit, die Lehre anzunehmen, weil die Theorie der Evolution ihrer Eitelkeit schmeichelte und ungeahnte Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft vorgaukelte; sie bot ferner für eine neue positivistische Philosophie die Grundlage, mit der man dem Dogma der Theologie entgegentreten konnte (94). Die Lehre Darwins untergrub alles ernste Nachdenken über die „letzten Dinge“. Sehr aufschlußreich sind die Ausführungen über die Stellung Darwins zum Christentum (99 ss). Entgegen verbreiteter Ansicht weist Clark nach, daß Darwins totaler Abfall vom Christentum schon frühzeitig begann. Er litt aber in der Folge an tiefer innerer Gespal- tenheit. Bemerkenswert ist sein Ausspruch: Er wäre bereit, an Gott zu glauben, wenn der Begriff Gottes mit der Wissenschaft in Einklang gebracht werden könnte, d. h. wenn Gott entpersonifiziert werden könnte (104). Die Selektion wäre der Ersatz für einen wirkenden, lebendigen Gottesbegriff. Die Entwicklung ließe sich vereinbaren mit dem Gottesbegriff des Deismus (104).

Immer enger wurde Darwins Bindung an Huxley, dem fanatischen Gegner der Religion. Der Zwiespalt in Darwin dauerte bis zu seinem Tode (111). Darwin starb unversöhnt' mit Gott (112).

Das 6. Kapitel beleuchtet die sozialen Auswirkungen des Darwinismus. Noch heute leidet die Welt unter ihnen. Der Klassenkampf ist die Anwendung der Lehre vom Kampf ums Dasein auf die Gesellschaftslehre und Politik: „ein Beispiel dafür, wie der Evolutionismus das menschliche Denken verwirrt hat“ (119). Spencer wendete die Entwicklungslehre rücksichtslos auf alle Zeitfragen an (123) und wurde dafür als genialer Philosoph gefeiert (125). „In Amerika wurde die Evolution zur Manie“ (125). Die amerikanische Industrie begrüßte sie mit Begeisterung (126): „Die Entwicklung großer Geschäfte beruht auf dem Ueberleben des Tüchtigsten“ (Rockefeller, 127). Die Evolutionslehre gab jedem asozialen Uebeltäter einen Freibrief für sein Gewissen; ihre Doktrinen gaben dem Auswurf der Menschheit die Möglichkeit, die letzten Hemmungen abzustreifen (130). Unglaublich war ihr Einfluß auf die Entwicklung des Nationalismus, besonders in Deutschland unter der Wirkung von Ernst Haeckel, der eine Art von biologischer Ersatzreligion verkündete. Ebenso ist Karl Marx stark von Darwin beeinflußt (134).

Noch heute leidet die Welt unter den Folgen des Evolutionismus auf sozialem und sittlichem Gebiete. Die von Aerzten verübten „ausmerzenden Maßnahmen“ des Selektionismus (Sterilisation, Euthanasie usw.) sind nichts anderes als die praktischen Auswirkungen der Ideologie des Darwinismus.

Die Literatur von 1870 bis 1914 ist „ein einziger Schrei nach Blut“ (133), insofern als in ihr die geistigen Grundlagen zu den späteren Welt- kriegen gelegt wurden. Auch Hitler stand im Banne des Evolutionismus und Selektionismus (137). Biologie wurde unter Hitler nur auf evolutionistischer Grundlage gelehrt.

Es war eine Scheinwissenschaft (219), auf deren Boden sich keine echte Philosophie mehr entwickeln konnte. Menschlicher Hochmut glaubte in der Entwicklungslehre einen „Ersatz für Gott“ gefunden zu haben (220). Daher kam es weiter, wie es auf dieser Grundlage kommen mußte.

Zusammenfassend ist festzustellen: Das Buch von Clark ist die vernichtendste Abrechnung mit dem Darwinismus, die je geschrieben wurde. Aus dem bereits angedeuteten Grunde ist es besonders begrüßenswert, daß sie von einem Engländer vorgenommen wurde. Die Weltirrlehre des Evolutionismus hat ein Jahrhundert lang die Wissenschaft unheilvoll beherrscht. Jetzt ist es an der Zeit, sie endgültig von ihr zu befreien. Nur eine solche Befreiung kann die Wissenschaft weiterführen und zu echter Wahrheitserkenntnis zurückführen.

Jahrbuch der Stadt Linz 1953. Herausgegeben von der Stadt Linz. Städtische Sammlungen. Schriftleitung: Hans Kreczi, Linz. LXXXIX und 656 Seiten, Abbildungen im Text und mehrere Tafeln.

Dieser stattliche Band ist schon der fünfte nach dem Krieg und zeigt wiederum den starken Kulturwillen der Stadt Linz. Im ersten Teil gibt die Kulturchronik der Stadt eine übersichtliche Schau des zeitgenössischen Kulturschaffens vom 1. September 1952 bis 31. August 1953, insbesondere erfahren wir von den auf der ersten Kulturtagung nach dem Kriege in Linz vom 29. bis 31. Mai 1953 abgefaßten, vorbildlichen Resolutionen, feiner von Theater- und Schrifttumspflege, Konzertleben, Kunst-, Musik-, Volkshochschule, Bau- und Kunstdenkmäler usw. Der zweite und umfangreichere Teil ist wieder eine Fundgrube weit über den Rahmen einer Stadtgeschichte hinaus für den Historiker sowohl der Früh- als auch der Neuzeit. Für den Numismatiker ist die ergänzende Arbeit von E. H o 1 z m a i r über „Die Medaille in Oberösterreich" ebenso instruktiv wie lehrreich für den Nichtnumismatiker. Die Medaille, 2000 Jahre jünger als die Münze, ein Geschöpf der italienischen Renaissance, wird geschichtlich für Oberösterreich mit Illustrationen aufgezeigt. Wertvoll als Versuch einer Bibliographie ist der Beitrag von G. G u g i t z über „Linz im Urteil der Reisebeschreibungen und Lebenserinnerungen“. Für den Wirtschaftshistoriker sind von besonderem Interesse die Arbeiten von H. Zatsch ek über „Handwerk und Hausbesitz (1595 und 1800)", Fr. Schober, über „Die Linzer Goldschmiede", u. a. m. Eine zusammenfassende Darstellung der „Linzer Fernstraßen", wodurch die Stadt ihren Aufstieg am Schnittpunkt wichtiger ostwestlicher und nordsüdlicher Verbindungen herleitet, kann erstmals Fr. Pfeffer von der Römerzeit bis zum neuzeitlichen Fernstraßenbau mit beigegebenen Karten illustrieren. Auch dieser Band zeigt eine beachtliche Jahresernte mit viel Fleiß und Opfersinn.

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