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Dem politischen Praktiker una Denker Dr. Drimmel sind diese Lehren denn auch nicht verborgen geblieben. Als Unterrichtsminister und verantwortlicher Politiker seiner Partei hat er sich erfolgreich um das Zustandekommen der Schulgesetzgebung des Jahres 1962 bemüht, des letzten großen Gesetzeswerkes, das der Koalition als gesellschaftliche Gesamtlösung gelungen ist. Anläßlich der Verabschiedung des Schulverfassungsgesetzes sprach Dr. Drimmel Worte, die man heute gegen seine Bamberger Rede in Erinnerung bringen muß, um das Gleichgewicht herzustellen, das diese faszinierende Persönlichkeit leider allzu leicht verliert. Dr. Drimmel nahm damals im Nationalrat auf die Gemeinsamkeit der großen Parteien in kulturpolitischen Fragen Bezug und sagte: „Diese Gemeinsamkeit ist an jenem Punkt wahrzunehmen, wo sich die Traditionen des christlichen Humanismus mit den Traditionen eines humanistischen Sozialismus westlicher Prägung, aber auch mit den freiheitlichen Traditionen des vergangenen Janmunueiis in einer Ebene des- Geistes gefunden haben. Wir haben uns in den vorbereitenden Arbeiten bemüht, diesen Begegnungspunkt auafindig zu machen, und wir glauben, ihn gefunden zu haben.“ Aue demselben Anlaß hielt Dr. Drimmel damals eine Rede im Bundesrat, in der er das Gesetzeswerk als „Teil des Friedensvertrages der Gesellschaftsgruppen, der politischen Gruppen und der religiösen Gemeinschaften unseres Volkes“ bezeichnete und sogar von der Beendigung des „Provisorium und Transitorium Österreich, des Staates, der zu Zeiten durch die Schwäche des Glaubens seiner eigenen Staatsbürger in seiner Existenz bedrängt wer, ja sie sogar verloren hat“, sprach. Wo Dr. Drimmel auf wirklich bleibende und positiv« Leistungen verweisen kann, war jenes staatspolitisches Konzept am Werk, das er in seiner Bamberger Rede so bedauerlich verleugnete.

Eine Versuchung Die Bamberger Rede Dr. Drimmels macht die Ausweich- und Rückfallmöglichkeit konservativer Politik deutlich, von der aber nur um den Preis der Infragestellung all dessen Gebrauch gemacht werden kann, wag wir uns als gemeinsame historische Erfahrung und Lehre erworben haben. Dr. Drimmel ist in seiner Bamberger Rede einer Versuchung erlegen, die sich gedanklich jederzeit als verlockende Alternative zum beschwerlichen Kampf im politischen Alltag der Zusammenarbeit und des Slchzusammenraufens anbietet. Gerade in Österreich ist es nicht zuletzt im Hinblick auf die von Dr. Drimmel am Schluß seiner Rede angeführten Natlonalratswahlen des Jahres 1966 notwendig, die Kräfte der Mitte zu sammeln und zu stärken und jene zu isolieren, die auf eine Zuspitzung der Gegensätze hinarbeiten, die nach allen Erfahrungen der Vergangenheit nur in einer neuen Katastrophe enden kann.

Dr. Drimmel hätte auf Grund seines geistigen Potentials und seiner Position alle Voraussetzungen dafür, zu einem Mitstreiter dieser in beiden Lagern vertretenen Mittelkräfte der österreichischen Demokratie zu werden. Es bleibt zu hoffen, daß seine Bamberger Rede nicht der Generalnenner seines politischen Wollens und noch viel weniger ein Gradmesser der politischen Entwicklungsrichtung seines Lagers ist.

Dr. Drimmel hat in „10 Reden wider den Geist“ (Herold-Verlag) kritische Worte gegenüber dem herrschenden Ungeist der Zeit gefunden, die auch ein Sozialist und ein Liberaler auf weiten Strecken unterschreiben kann. Doch seine Bamberger Rede war keine Kapuzinerpredigt wider den herrschenden Ungeist, sondern eine Kreuzzugsrede wider den Geist, der uns als Geist der Zusammenarbeit auch dann erhalten bleiben möge, wenn sich die Form der Koalition eines Tages als zu eng erweisen sollte wider den helligen Geist des Friedens, ohne den unsere Gesellschaftsordnung vor eine ständige Zerreißprobe gestellt wäre. Wenn es in der Gesellschaft von heute eine christliche Politik gibt, so besteht sie sicher nicht In der Aufbietung aller Kräfte gegen links, sicher nicht in der religiösen Ettiket-tierung und Verbrämung sozialer und ideologischer Ressentiments, sondern in dem Bemühen, zusammen mit den Humanisten von links um die Erhaltung und den Ausbau von Werten zu kämpfen, die der Schöpfer in die gemeinsame Verwaltung aller Menschen guten Willens gelegt hat.

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