Charakter einer Regierungsdiktatur

Die kurzfristige Diskussion um die geplante theatralische Inszenierung des „12. Februar" anläßlich des 60. Jahrestages des österreichischen Bürgerkriegs 1934 entlarvte erneut den möglichen Mißbrauch geschichtlicher Vorgänge in ihrer Deutung.

Gerade die Interpretation der Jahre 1934-38 dient heute noch -auch in den Schulbüchern - der nachträglichen emotionahsierten Rechtfertigung beziehungsweise Abrechnung mit dem politischen Gegner. Helmut Wohnouts Analyse des krisengeschüttelten autoritären Staates unter Engelbert Dollfuß und Kurt von Schusch-nigg räumt mit den klischeehaften Deutungen der Dollfuß-Ära als „christlichen Ständestaat" oder als Epoche des „Austrofaschismus" auf Denn letztlich hefen nach der Paralyse des Nationalrats am 4. März 1933 die Fäden der Exekutive, Legislative und Jurisdiktion mehr oder minder in den Händen der Regierungsdiktatur von Dollfuß und später Schusch-nigg zusammen. Unheilvoll, weil mißverstanden, war auch die Fiktion diverser katholischer Sozialromantiker, aus der Enzyklika „Quadragesimo anno" einen gesellschaftspolitischen Auftrag zur Errichtung des ersten christlichen Ständestaats ableiten zu müssen.

Ein Verdienst Wohnouts besteht darin, den nicht unwichtigen Einfluß der antiparlamentarischen Pläne des Heimwehrtheoretikers Odo Neustädter-Stürmer, die an Mussohnis System orientiert waren, erstmals klar nachgezeichnet zu haben. Diese fast bedingungslose Anlehnung an den Faschismus Mussolinis trieb die Regierung in die Hände der österreichischen Mussohni-Epigonen -der Heimwehr. Auch nach der Ausschaltung der Heimwehr 1936 hatten demokratische Kräfte innerhalb der Regierungsdiktatur keine Chance. Als die Regierung 1937/38 endhch den Dialog mit den verbotenen Sozialdemokraten suchte, war die Zeit für den Versuch eines autoritären Staat zwischen Hitler und Mussolini bereits abgelaufen.