Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die Gretchenfrage
Die Slowakei, seit 1918 (und nach ihrer Eigenstaatlichkeit von 1939 bis 1945 wieder) Ostteil der Tschechoslowakei, war bis 1918 „Oberungarn“, fast 1000 Jahre lang: In dieser Zeit hatte eine starke Magyarisierung der Slowaken stattgefunden, die nach der Loslösung der Slowakei aus dem ungarischen Staatsverband zur Gegenbewegung des slowakischen Nationalismus führte, zu Reibungen mit der ungarischen Minderheit auf tschechoslowakischem Territorium, die bis 1938 rund 700.000 betrug. Nach 1945 wurde tschechoslowakischerseits erwogen, die ungarische Minderheit ebenso auszusiedeln wie die sudetendeutsche: doch gaben die Alliierten und die Sowjetunion nicht die Erlaubnis dazu. Seitdem fühlten sich die Ungarn in der Tschechoslowakei als Bürger zweiter Klasse.
Es ist interessant, daß nunmehr, da sich in der Tschechoslowakei eine gewisse Liberalisierung in den Formen des bisherigen straffen kommunistischen Regimes geltend macht, nicht nur die Slowaken innerhalb der Tschechoslowakei auf eine „Föderalisierung“ drängen, sondern auch die tschechoslowakischen Ungarn, vom Staat Ungarn unterstützt, in gleicher Weise nach größerer Autonomie streben.
Um diese Theorie in die Praxis umzusetzen, schlägt die ungarische Minderheit vor, im slowakischen Nationalrat in Preßburg (Bratislava) und in der Nationalversammlung in Prag Minderheitsausschüsse zu organisieren und neben der Prager Regierung ein „Staatsrecht der Minderheiten“ aufzustellen.
Außerdem hart diese ungarische Minderheit in der Tschechoslowakei solcherart Vorschläge bereits unterbreitet, vor allem im kulturellen Bereich: sie hat angeregt, die ungarischen Minderheitsschulen auf tschechoslowakischem Territorium weiterzuentwickeln und sie ungarischen Unterrichtsorganen zu unterstellen. Die Jugendlichen der Minderheiten sollen zu den Hochschulen und Universitäten ihrem Bevölkerungsansteil entsprechend zugelassen werden. Wie man aus der ungarischen Presse ersieht, verfolgt die Öffentlichkeit in Ungarn den tschechoslowakischen „Erneuerungsprozeß“ mit großem Interesse — namentlich auch auf dem Gebiet des nationalen Sektors der ungarischen Minderheit in der Tschechoslowakei.
Mit Interesse muß auf die Reaktion der Slowaken geblickt werden. Werden sie den Umgarn das geben, was sie für sich selbst gefordert haben? Oder wollen sie nicht gleiches Reohrt für alle?
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!