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„Die Persönlichkeit als Träger der Geschichte“

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Eine Analyse des Sozialgefüges der individualistischen Zeit zeigt auf, wie ihr Liberalismus und ihre gesamte politische Ökonomie die moderne Tyrannis mit ihrer schrankenlosen Nivellierung vorbereitet und schließlich die Freiheit des Individuums vernichtet hat. Der unchristliche Führerkult und die exekutiven Funktionen moderner Prätorianergruppen im totalitären Staat demoralisieren die Staatslenkung und dämonisieren die Zwangsautoritäten. Diese Erscheinungen, die die Entthronung Europas von heroischer Kultursendung herbeizuführen vermochte, verschlangen in unseren Tagen fast vollends die schöpferische Schicht in den abendländischen Völkern und diffamierten die Qualität und die ethische Größe jedes Lebens im Geiste. Der Vortragende zeigte, daß

nicht nur extremer Individualismus, sondern auch totalitärer Universalismus die Freiheit des Menschen auszulöschen vermag.

Die Weiterzüchtung schöpferischer Persönlichkeiten in der westlichen Kulturhemisphäre kann nur gelingen, wenn die abendländischen Schöpfergestalten als erzieherische Vorbilder äußerst intensiv beleuchtet werden.

Der gelehrte Salzburger Geschichtsforscher Dr. A. v. R a n d a erwies sich in seinem Vortrag über die geschichtliche Einheit der Jahrtausende, über den Aufbau und Zerfall von Kulturen als Meister der Komprimierung weltumspannender historischer Aspekte. Er bezog in seine Betrachtung auch alle wesentlichen östlichen und fernsten Kulturen ein, streifte die inhaltliche Nähe gewisser Weltreligionen zum Christentum und arbeitete in glänzender Diktion die ' Phasen von Kulturverfall und -aufbau heraus. Inmitten epochaler Gefährdung habe sich die Kirche Christi als rettende Arche der menschlichen Gesellschaft zu allen Zeiten bewiesen.

Prof. Dr. F. Schnabel (München) wurde im besonderen für die Klarheit seiner Ausführungen über Recht, Staat und Nation in der Geschichte bedankt. Die primäre Aufgabe des Staates sei Rechtsstaat, nicht Wohlfahrtsstaat zu sein. Nur das Recht als Grundlage des Staates könne über die Sorge um das ma-

terielle Wohl des Menschen hinausführen. Die Grenzen des Staates liegen an den Grenzen seiner sittlichen Haltung. Die Nationen entstanden aus einem Willen zum Zusammenbleiben, nicht auf Grund schwankender historischer Fakten, wie sprachliche Gemeinsamkeiten. Heute ist ihre Existenz notwendig gegen den Absolutismus eines einzigen irdischen Herren der Welt.

Auf schöpferischem Konzept ruhte die Vorlesungsreihe Prof. Dr. P. H ü b i n-gers (Münster) über Spätantike und Frühmittelalter als Beispiel erneuerter Geschichtswissenschaft. Mit unbestechlicher Wissenschaftlichkeit und getragen von christlichem Forscherethos breitete der Gelehrte seine Ansichten über die Zeit von Diokletian bis zum Ausgang des Karolingerreiches, die sogenannten dark ages, aus und erläuterte an ihr die Probleme und Aufgaben der modernen Geschichtswissenschaft.

Prof. Dr. F. Schachermeyer (Graz) fahndete in seinem Geschichtsvergleich Antike-Neuzeit nach Parallelen, Analogien und Differenzierungen in der historischen Ereignisfolge. Mittelalter und Neuzeit, als Entwicklungsganzes unter dem Namen abendländische Epoche zusammengefaßt, zeigen, der Antike gegenübergestellt, streckenweise auffallende Ähnlichkeit , im Kulturablauf. In der Gegenwart allerdings fällt der Epochenvergleich auseinander. Neu und ohne Analogiepart sind die Raumüberwindung der Moderne, Krieg und Zerstörung als permanente Bedrohung des Planeten durch die perfektionierte Technik. Wir dürfen trotz alledem hoffen, Europa als Schwerpunkt der Weltkultur erhalten zu können!

Zentripetale Äußerungen des Europäer-tums, wie Einzug der Toleranz in gewisse internationale Gespräche und Verständigungsinstitutionen, innerstaatliche Koalitionssysteme und nicht zuletzt d i e sichtbare Annäherung der Bekenner Christi stellen Kräfte der Selbstbehauptung Europas dar.

Es wäre verfehlt, den gewittergeladenen Stil Dozent Dr. F. Heers (Wien) in seinem Vortrag

„Verchristlichung und Entchristlichung Europas im Ablauf eines Jahrtausends“

als irgendeine Form von Entrüstung aufzufassen. Nein, es war Rüstung für“

den Prozeß der Revision des Bildes jener kardinalen Epoche der abendländischen Geschichte, in der das Glauben noch ein Brennendes war, das Feuer der Wahrheit. Es mag in der Sichtbarmachung durch den Redner vielleicht auch manchen von uns bis ins Physische hinein gebrannt haben. In wenigen Zeilen zu schildern, was es beleuchtet hat, wäre vermessen. Es ging um tausend Jahre Christsein in einer Weltkultur, um tausend Jahre Widerstand der Erde gegen den Geist. Christianisierung blieb im Heer-

schen Sinne wohl nur Heranbringung des Christlichen an Europa, Entchristlichung mag man dann die Stufen jenes inner-christlichen Auflösungsprozesses nennen, dessen Zeugen unsere letzten Generationen angesichts des Endes der abendländischen Mission karolingischer Prägung geworden sind. Das Abendland (wir ergänzen: der noch greifbaren Christlichkeit) liegt hinter uns. In der neuen Kirche Christi im 20. Jahrhundert weitet sich das Tor, der Verstaatlichungsprozeß der Kirche ist überwunden, Franz von Assisi steht neben Ignatius, sie hebt die Tafeln der Menschenrechte hoch empor. Wir spüren es alle: im Innern zittert die Wandlung.

Die noch zu nennenden Vorträge galten vor allem der historischen Situation der letzten Generationen. Prof. Dr. Erdmann (Köln) betrachtete die weltumgreifenden Mächte unseres Jahrhunderts, Prof. von der Heydts (München) breitete ein glänzend stilisiertes. Bild von den europäischen Unierungs-bestrebungen aus.

Dem Wiener Historiker Prof. Doktor H. H a n t s c h gelang es,

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