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Ein Muster von Pflichttreue

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MARIA THERESIAS JÜNGSTER SOHN, MAX FRANZ. Letztet Kurfünt von Köln und Fürstbischof von Münster. Von Max Braubach. Verlag Herold, Wien-Mönchen 1961. 504 Seiten und 17 Tafeln. Leinen. Prei 195 S.

Persönlichkeit und Werk der großen Kaiserin Maria Theresia, der eigentlichen „Staatigründerin“ der österreichischen Monarchie, ist gerade in jüngster Zeit wieder besonders beachtet und zum Gegenstand zahlreicher Forschungen und Darstellungen gemacht worden; vorwiegend positiv, namentlich auch im Hinblick auf ihre große Staatsreform, in den Aktenpublikationen, Forschungen und Darstellungen Friedrich Walters, vorwiegend kritisch und negativ, zumal im Hinblick auf ihre Kirchenpolitik, in den großen, dem Problem des „Josephinismus“ gewidmeten Publikationen von Ferdinand Maaß. In einem Punkt aber dürfte wohl leicht Übereinstimmung zu erzielen sein: darin nämlich, daß die große Kaiserin ihren Kindern, und hier namentlich ihren Söhnen, eine ausgezeichnete Erziehung zuteil werden ließ, wie sie überhaupt ihren Kindem gegenüber eine zwar liebevolle, aber keineswegs unkritische, ja ausnehmend strenge Mutter war. Der erstaunliche Erfolg hat ihre Erziehungsmethode voll gerechtfertigt: Von den vier Söhnen, die die Mutter überlebten (der Zweitälteste, Karl Joseph, ist 1761, kurz vor Vollendung des 16. Lebensjahres, gestorben), sind drei, Joseph IL, Leopold II. und Max Franz, bedeutende, in Begabung und Pflichterfüllung weit überdurchschnittliche Herrscher geworden.

Von diesen drei Herrschern ist dem Geschichtsbewußtsein der Österreicher zweifellos der jüngste, Max Franz (1756 bis 1801), das sechzehnte Kind der Kaiserin, der letzte Kurfürst von Köln, am wenigsten vertraut. 1924 hat sich der junge Bonner Historiker Max Braubach mit dem „Versuch einer Biographie“ des Habsburgers habilitiert, 1925 erschien das Werk im Druck. Kurz darauf erhielt der Wiener Historiker Heinrich Ritter von Srbik fast gleichzeitig einen Ruf an die Bonner und einen an die Kölner Universität. Srbik blieb in Wien, empfahl aber dem im nahestehenden preußischen Kultusminister Becker, den Bonner Lehrstuhlinhaber, den noch so rüstigen Aloys Schulte, zum Verbleiben im Lehramt zu überreden. In einigen Jahren könne dann gewiß der Schüler Schuhes, Max Braubach, dessen Habilitationsschrift Srbiks Beifall gefunden hatte, auf den Lehrstuhl berufen werden. So geschah es, und so verdankte Braubach dem letzten habsburgischen Kurfürsten von Köln und Gründer der ersten Bonner Universität jenen Lehrstuhl in Max Franzens einstiger Residenz, den er heute noch innehat.

Nach mehr als einem Menschenalter hat sich nun Braubach zur Neubearbeitung seines Jugendwerks entschlossen; nicht leichten Herzens, gewiß, da er mitten in der auch von der österreichischen Geschichtswissenschaft mit Ungeduld erwarteten Arbeit für eine seit Jahren vorbereitete, großangelegte Biographie des Prinzen Eugen steht. So bedurfte es auch jetzt wieder eines Anstoßes aus Österreich, diesmal in Form der Aufforderung des Herold-Verlags, um den gerade in letzter Zeit mit akademischen Ehrenämtern überbürdeten Historiker zur Neubearbeitung zu bewegen.

Denn um eine vollständige Neubearbeitung handelte es sich, zumal in der Zwischenzeit, nicht zuletzt durch Braubachs eigene Forschungen und die seiner Schüler, viel neues, wichtiges Material erschlossen worden war. Wohl hatte der Autor die Genugtuung, an den großen Zügen des Porträts wie an der Beurteilung von Persönlichkeit und Werk nichts ändern zu müssen. Doch ist das Bild um zahlreiche Züge bereichert und lebensvoller geworden, was anderseits durch eine größere, die Hand des erfahrenen Meisters verratende Straffung ausgeglichen wurde. Höchstens um Nuancen sind die

Urteile, sowohl hinsichtlich der Hauptgestalt, als auch seiner Zeitgenossen, Verwandten wie Mitarbeiter, milder. Wohlwollender und positiver geworden.

Max Franz ist zunächst in seiner Jugend von seiner Familie, inmitten der fast durchweg ausnehmend begabten Geschwister, wegen seiner Ruhe und seines Phlegmas eher unterschätzt Worden. Niemand erwartete von ihm besondere Leistungen, auch die Mutter nicht, und als der ursprünglich für die Soldatenlaufbahn bestimmte Erzherzog während des bayrischen Erbfolgekrieges schwer erkrankte und für die militärische Karriere nun nicht mehr in Frage kam, war man in Wien in Verlegenheit, was aus ihm werden solle. Eine sich unerwartet eröffnende Gelegenheit wurde vom Wiener Hof rasch ergriffen, und so wurde Max Franz 1780, ein Vierteljahr vor dem Tod seiner Mutter, in Köln und Münster zum Koädjutor gewählt. Am 15. April 1784 starb dann der Kurfürst Max Friedrich von Königsegg, und der jüngste Bruder Kaiser Josephs trat nun in dem geistlichen Herrschaftskomplex im Nordwesten des Reiches die Regierung an.

Wie gleichzeitig seine Brüder Joseph in Österreich und Leopold in Toskana, war Max Franz ein echter Vertreter des „aufgeklärten Absolutismus“, arbeitsam, schlicht, streng gegen sich selbst und wohlwollend gegen seine Untertanen, „ein Muster von Pflichttreue“, wie ihn Braubach nennt, auch in der Erfüllung der Pflichten seines geistlichen Standes, zu dem er zunächst keinerlei Berufung in sich gefühlt hatte. Als echter „Josephiner“ unterschied er sich von seinen bau- und prunkfreudigen, weltlich-barocken wittels-bachischen Vorgängern durch untadeligen, einfachen Lebenswandel und Sparsamkeit, so daß ei hieß, die Kavaliere am Bonner Hof müßten jetzt erst wieder beten lernen. In Verwaltung, Rechtspflege, Wirtschaft!- und Wohlfahrtspolitik, Erziehungsund Bildungswesen ist dieser letzte Kurfürst von Köln nach Braubachs wohlbegründetem Urteil nicht nur der beste Regent unter den geistlichen Landesherren seiner Zeit, sondern zugleich auch der beste Herrscher gewesen, den der Kölner

Kurstaat in der Neuzeit überhaupt gehabt hat. Es war eine besondere Tragik, daß gerade dieser Herrscher, der in der für das Haus Habsburg-Lothringen kritischen Zeit zwischen Josephs Tod und Leopolds Kaiserwahl sowie gegenüber der Revolution im Bistum Lüttich auch seine Fähigkeiten auf politisch-diplomatischem Gebiet erwiesen hatte, den Zusammenbruch seiner Herrschaft erleben und in den Kriegswirren in Wien Zuflucht suchen mußte, wo ihn, inmitten der Arbeit für eine Reorganisation der ihm rechts des Rheins noch verbliebenen Lande, 1801 der Tod vor der Drohung weiterer Schicksalsschläge erlöste. In der Kapuzinergruft hat auch er, wie seine Brüder, die letzte Ruhestätte gefunden.

Besonders interessant und gegenüber dem Jugendwerk Braubachs wesentlich verändert sind die Kapitel über die Stellung Max Franzens zur „religiösen Aufklärung“ sowie jene, die sein Verhältnis zu seinen Mitarbeitern betreffen. Gerade hier sowie hinsichtlich der persönlichen Aufzeichnungen aus dem erst nach dem Erscheinen von Braubachs erstem Buch bei Ordnungsarbeiten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv aufgefundenen Nachlaß von Max Franz, ist es nun möglich gewesen, das Lebensbild auf eine wesentlich breitere quellenmäßige Basis zu stellen.

Von den schönen Künsten hat Max Franz vor allem die Musik geliebt, betrieben und gefördert, und es wird in der Musikstadt Wien besonders interessieren, von den Beziehungen des Habsburgers zu Mozart, Haydn und Beethoven zu erfahren. An bedeutenderen Bauten verdankt das Rheinland dem Habsburger nur ein — wie Braubach hervorhebt — bezeichnenderweise der Völksgesundheit wie der wirtschaftlichen Nutzung gewidmetes Gebäude: die in klassizistischen Formen errichtete Godesberger Redoute bei der dort neuentdeckten Mineralquelle, ein Gebäude, in dem Regierung und Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland heute gerne und regelmäßig Diplomatenempfänge und andere gesellschaftlich-politische Veranstaltungen abhalten.

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