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Geist, Kultur, Geschichte

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In großen Linien werden in diesem Buch die ungeheuren Wandlungen skizziert, die sich in der modernen Physik und damit im heutigen Weltbild vollzogen haben. Hauptpunkte dieser Entwicklung sind unter anderem Einsteins Relativitätstheorie, der Einsturz des Kausalitätsbegriffes der klassischen Physik, der Indeterminismus in der Welt des Mikrophysischen, Plancks universale Konstante h und die Unschärferelationen Heisenbergs. Angesichts dieser Umwälzungen könnte man vielleicht zu der Auffassung gelangen, daß jetzt jedes Philosophieren den festen Boden und seinen ganzen Sinn verloren habe. Demgegenüber zeigt der Verfasser, daß jedes naturwissenschaftliche Forschen sowohl in der Vergangenheit wie in der Neuzeit philosophisch bedingt ist und daß der menschliche Geist als der vergessene Ursprung das immerwährende und unerschütterliche Element bleibt, weil er auf das Verständnis des Seins der Dinge bezogen ist. Das will jedoch keineswegs sagen, daß dadurch die Physik zu einer Art Metaphysik geworden wäre, sondern nur, daß sie immer tiefer in das Sein der Dinge einzudringen versucht und dadurch die Notwendigkeit einer metaphysischen Begründung klarer erkennen läßt. In diesem Zusammenhang wird vom Verfasser C. F. von Weizsäcker angeführt, der erklärt: „daß die moderne Physik ohne Philosophie nicht adäquat verstanden werden kann und daß es eine Philosophie, die dieses adäquate Verständnis liefern könnte, bis heute noch nicht gibt“. Der Leser erwartet daher auch vom Verfasser nicht einmal Ansätze zu einer derartigen Philosophie, aber eines hat Strolz bereits sehr klar herausgestellt: Die früher aufgestellten Gesetze mögen sich noch so grundlegend geändert haben, das große Gesetz der Bindung des menschlichen Geistes an das unmeßbare und zum Weiterforschen immer wieder auffordernde Sein bleibt unerschüttert. Man kann von dieser Abhandlung ferner nicht behaupten, daß sie als eine ausdrückliche Zeit- und Kulturkritik gedacht ist, in der ein Philosoph ausführlich zur Technik Stellung nimmt, aber es läßt sich nicht leugnen, daß Strolz zwangsläufig auf die Folgen und Gefahren der technischen Entwicklung zu sprechen kommt. Selbstverständlich wird die Technik nicht schlechthin verurteilt, eben weil sie ein Kind des Geistes ist, aber es kommt der Augenblick, in dem gerade dieser Geist „nein“ sagen muß. In einigen kurzen Erläuterungen wird angedeutet, daß der Mensch durch seine gewaltigen technischen Errungenschaften den Blick für die Natur verloren hat und daß er kaum noch einen Sinn für die Stille, als den unumgänglichen Ort für die Entdeckung der Wesenstiefen des Daseins, besitzt und dadurch auch die ungeheure Kraft und Verantwortung seines eigenen freien Geistes übersieht. Darauf hat auch Bochenski aufmerksam gemacht, als er schrieb, daß es selten in der Geschichte so klargeworden ist wie heute, welche furchtbare, lebensbildende und lebensvernichtende Macht die großen Philosophen sein können („Wege zum philosophischen Denken“, Herder-Bücherei, Band 62, S. 112—113). Es ist außerordentlich verdienstvoll, daß Strolz auf diesen menschlichen Geist, als den verborgenen und vergessenen Ursprung, hinweist, auf diesen Urgrund nicht nur aller bisherigen philosophischen, physikalischen und technischen Errungenschaften, sondern auch und vor allem der drohenden Gefahren, die zum Schluß die Auslöschung eben dieses Geistes herbeiführen könnten. ■

DAS PROBLEM DER ISLAMISCHEN KULTURGESCHICHTE. Von Jörg Kraemer. Max Niemeyer, Tübingen 1959. 69 Seiten. Preis 6.80 DM.

Auf Grund einer reichen Kenntnis der alten Quellen des Islams und seiner heutigen Problematik, die auf eine Begegnung zum Christentum zielt (bis dazu, daß islamische und christliche Theologen sich zu einer Kommentierung des Korans zusammenfanden), arbeitet der Verfasser eine Art Widerspruchstheologie des Islams heraus. Auf der einen Seite steht im Islam die Korantheologie des „heiligen Kampfes gegen die Ungläubigen“ (das heißt Juden und Christen), die in den Ausspruch Ghazzalis als des größten islamischen Theologen (gestorben 1111) mündet: „So ist es denn notwendig“, die Philosophen Sokrates, Piaton und Aristoteles „nebst ihrer Partei ... allesamt zu Ungläubigen zu erklären“ (S. 43). Auf der anderen Seite aber betont die heutige Richtung um Taha Husain, den geistigen Führer Ägyptens: „es gibt keinen Wesensunterschied zwischen uns und den Europäern ... ; der Geist beider Kulturen ist untrennbar ein und derselbe“ (S. 4), und als Antwort hierauf konzipiert der führende deutsche Islamforscher C. H. Becker die Idee, „der Islam sei neben dem byzantinischen und dem abendländisch-lateinischen Christentum der dritte gleichberechtigte Erbe des antiken Kulturvermächtnisses gewesen“ (S. 11). Kraemer unternimmt es nicht, diese beiden schroff gegensätzlichen Positionen wenigstens in die Richtung einer Lösung zu führen, außer der Schlußbemerkung, daß der „Baum der islamischen Kultur .. . seine Wurzeln im morgenländischen Erdreich“ habe, von dem her „allein ... neue Lebenskräfte ihm“ zuströmen „und .. . vielleicht ... eines Tages ihm wieder zuströmen“ (S. 47). Das Widerspruchsvolle im Islam (das im Koran selbst grundgelegt ist) würde sich dann aus dem „morgenländischen Erdreich“ erklären: wie der Stil alles Asiatischen Stil letzter Widersprüche ist, die erst im Unbegreiflichen unfaßbar in eins klingen, während dem Europäischen ein Stil geschlossenen Systems eigen ist.

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