Blumenberg  - © Foto: APA / Universitaet Muenster/MG

Hans Blumenberg: Der Denker in Bewegung

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Zum 100. Geburtstag des deutschen Philosophen Hans Blumenberg ist unter dem Titel „Der absolute Leser“ eine mehr als 800 Seiten starke neue Biografie erschienen. Ein Gespräch mit Rüdiger Zill, deren Autor.

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Zum 100. Geburtstag des deutschen Philosophen Hans Blumenberg ist unter dem Titel „Der absolute Leser“ eine mehr als 800 Seiten starke neue Biografie erschienen. Ein Gespräch mit Rüdiger Zill, deren Autor.

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Hans Blumenberg ist einer der einflussreichsten Kulturphilosophen des 20. Jahrhunderts. Er verstand sich als Außenseiter des akademischen Betriebs, der sich in seiner Arbeit weniger auf den Mainstream der Philosophie bezog. Im Mittelpunkt seiner philosophischen Reflexionen standen die Funktionen von Mythos und Metapher in der abendländischen Geistesgeschichte. Blumenberg verfasste mehrere umfangreiche Theorieromane wie „Legitimität der Neuzeit“, „Höhlenausgänge“ oder „Lebenszeit und Weltzeit“. Hier fand das Lesepublikum eine unüberschaubare Wissensfülle auf dem Gebiet der Philosophie, Theologie, Geschichte, Literatur und Astronomie.

Der am Einstein Forum in Potsdam tätige Philosoph Rüdiger Zill veröffentlichte vor wenigen Wochen eine umfangreiche Biografie mit dem Titel „Der absolute Leser“. Sie gibt einen Einblick in das Leben des Gelehrten und dessen labyrinthisches Denken und Werk.

DIE FURCHE: Nur wenig Persönliches ist von dem Philosophen Blumenberg bekannt. Sein Werk sollte für ihn sprechen. Was hat Sie bewogen, eine umfangreiche Biografie vorzulegen?
Rüdiger Zill:
Ich wollte Blumenberg als einen Denker in Bewegung darstellen. Mir ging es darum zu zeigen, wie man bei der Verfertigung von Gedanken zusehen kann und dass er kein System hatte, vielmehr ein spielerischer Autor war, der mit den Gedanken probeweise umging.

DIE FURCHE: Sie wollten auch dem Mythos Blumenberg als dem eines Troglodyten, der sich in der Höhle seiner Wohnung dem Verfassen von monumentalen Studien widmete, entgegenarbeiten?
Zill:
Ich versuche darauf hinzuweisen, dass es bei Blumenberg – wie bei jedem einflussreichen Denker – immer auch um Mythisierungen geht. Diese Mythen versuchen einen Denker nicht auf den Begriff zu bringen, sondern auf das Bild. Das ist nicht falsch, sondern legitim. Trotzdem sollten wir uns in der Gegenbewegung halten und uns bewusst machen, dass das bestimmte Verfestigungen, Versteinerungen sind, die wir wieder auflösen müssen.

DIE FURCHE: Können Sie die ersten Stationen von Blumenbergs Biografie skizzieren?
Zill:
Blumenberg wuchs in einer behüteten Familie auf. Aber bald stieß er auf gesellschaftliche Ablehnung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Er durfte als Sohn einer jüdischen Mutter an staatlichen deutschen Universitäten nicht studieren und wich deshalb auf die kirchliche Hochschule in Paderborn aus, wo er ein Studium der Theologie begann. Aber auch das wurde nach zwei Semestern unterbunden, er durfte nun nicht mehr studieren, musste sich in einem Industriebetrieb bewähren und wurde 1945 sogar für einige Wochen in ein Arbeitslager nach Zerbst bei Dessau deportiert.

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