Amok - © Foto: Pixabay

Hass: Die Monster in uns

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Wer hasst, hasst sich immer auch selbst – und findet selbst in Eruptionen kaum Erleichterung. Über die Psychodynamik des Anders Breivik, den Hass auf Eliten und Mischa Katsurins Kampf gegen Propaganda: Eine Nachbetrachtung des 25. Philosophicum Lech.

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Wer hasst, hasst sich immer auch selbst – und findet selbst in Eruptionen kaum Erleichterung. Über die Psychodynamik des Anders Breivik, den Hass auf Eliten und Mischa Katsurins Kampf gegen Propaganda: Eine Nachbetrachtung des 25. Philosophicum Lech.

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Anders Breivik war drei Jahre alt, als seine Mutter über ihn gesagt haben soll, dass er ein „Monster“ sei. Dreijährige können aber keine Monster sein, weiß die Züricher Psychoanalytikerin und Religionswissenschafterin Jeannette Fischer – nicht einmal dann, wenn sie 29 Jahre später auf der norwegischen Insel Utøya 77 Menschen ermorden, darunter 69 Teilnehmer(innen) eines Zeltlagers einer sozial­demokratischen Jugendorganisation.

Doch wie konnte es sonst dazu kommen, dass sich in Anders Breivik so viel Hass aufstaute – auf Linke, auf Muslime, auf junge Leute, die ihrer Freude und Lust am Leben auf einem Zeltlager frönten? Wie konnte er sich zum Allmächtigen erheben, der über Leben und Tod entschied? Seine Mutter, so Fischer bei ihrem Vortrag über „Hass und Selbsthass“ beim Philosophicum Lech, habe Anders Breivik seit seiner Kindheit als Täter gespiegelt, als einen, der schon mit drei Jahren Macht gehabt habe über sie. Von da an sollte er sich selbst genauso hassen, wie ihn seine Mutter gehasst habe. „Es ist ihr Hass, den er als rechtsextremer Amokläufer an andere ausgelagert hat“, sagt Fischer. 77 Tote als inszenierte Sündenböcke für diesen großen Hass.

Starker Tobak. Ebenso, dass Diktatoren vielfach Muttersöhnchen waren und sind. Schuld ist hier freilich nicht die Mutter, Auslöser ist vielmehr die grundsätzliche Schwierigkeit, in einer symbiotischen Beziehung so etwas wie „das Andere“ anzuerkennen, dadurch als Ich Sicherheit zu gewinnen und letztlich überhaupt begehren zu können. „Das einzig verbindende Element in Beziehungen ist die Anerkennung der Differenz“, sagt Fischer zweimal. Nachsatz: „Nicht die Liebe.“

Der Hass ist nicht zu beseitigen

Nicht jeder ist – gottlob – ein Massenmörder mit narzisstischer und antisozialerPersönlichkeitsstörung. Dennoch ist Hass ein allzu menschliches Phänomen. Er war schon immer da – und er wird bleiben, betont Jeanette Fischer: „Nicht nur auf der persönlichen Ebene, sondern auch im gesell­schaftlichen und politischen Zusammenspiel zeigt sich: Wir können Hass nicht beseitigen, indem wir ihn verur­teilen, ver­ab­scheuen, ja gar hassen.“ Verän­derung sei deshalb erst möglich, „wenn wir den Teufelskreis verlassen und das ausleuchten, was zu seiner Entstehung führt“.

Was bei der aktuellen „Krisenjugend“ und in den unteren sowie mittleren sozialen Schichten für Hass sorgt, hat Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier ausgehoben. Auch er selbst sei übrigens zum Hass fähig, gesteht er einleitend. Dass man etwa die aktuelle Regierung hassen könne, hält der schillernde Experte mit linksextremer Vergangenheit und aktueller Kolumnistentätigkeit für das ÖVP-nahe Boulevard-Onlinemedium Exxpress für durchaus plausibel. Doch was genau bewegt die Menschen?

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