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Keine mude Resignation

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Der Satz aus „Rerum novarum“ (Tz. 7): „Wie immer unter die Menschen verteilt, hört der Boden nicht auf, dem Nutzen aller zu dienen“, verwandelt sich bei Pitts XI. in „Quadragesimo anno“ in Dynamit i nicht mehr müde Resignation (ach, es geht zur Not auch so, und es läßt sich wohl kaum viel daran ändern),sondern, weil „keineswegs jede beliebige Güter- und ReichtUmsvertel-lüftg den gottergebenen Zweck, sei es überhaupt, sei es in befriedigendem Maß, erreichen“ läßt, die energische Forderung, die Eigentufflsördnung jeweils sO zu gestalten, iäß sie diese ihre Funktion erfüllt, die Erdengüter wirklich dem Nützen älter dienstbar macht (Tz. 58).

Damit griff Pius XI. nur auf die in der ganzen Überlieferung festgehaltene Unterscheidung zurück zwischen dem Nutzen für alle („usus communis“) und der Verfügung („administratio et dispensatiö parti-cularls“) durch die einseinen, Sellen wirklich alle In den Genuß der Erdengüter gelangen, dann bedarf es dazu einer Qränmg, die ihre Nutzbarmachung regelt (wer über was zu sehalten und au walten hat). Sie Widmung der Erdenbürger an den Mensehen (nicht an diesen oder jenen einzelnen, sondern an alle inigesamt, keinen ausgenommen) Ist göttlichen Rechts (im strengen Sinn „Naturreeht“); die Ordnung, mittels derer dieser Getteswille verwirklieht wird, Ist Menschenwerk, sozusagen die von Mensehen ausgearbeitete Durchführungsverordnung für das, was Gott selbst als Gesetz festgelegt, uns aber zur Vollziehung überlassen hat. Wir müssen ehrlieh zugeben, daß diese Lehre unter dem Geröll der individualistischen Ideen des 19. Jahrhundert verschüttet gelegen war und aueh in „Rerum novarum“ nicht voll zu ihrem Recht gekommen (selbstverständlich nicht geleugnet) war.

Von Pius XII, sei nur eben seine Radiebotsehaft Pfingsten 1841 zur 50-Jahr-Feier von „Rerum novarum“ erwähnt, wo er mit besonderem Nachdruck den unbedingten Vorrang des Rechtes aller Menschen auf Nutzung der Erdengüter vor der durch das Eigentumsrecht hergestellten Ordnung, In der die Nutzbarmachung sich zu vollziehen hat, herausarbeitet; wo die bestehende Eigentumsordnung diese Nutzbarmachung nicht gewährleistet oder sie gar verhindert, muß sie als das schwächere Recht weichen und dem von Gott selbst gesetzten höheren und elementaren Recht Raum geben.

Die bewußt aufgelockerte und volkstümlichere Schreibweise von „Mater et magistra“, die dieser Enzyklika so große Beliebtheit eingetragen hat, läßt es nicht zu, die Gleichgewichtigkeit der individuellen und der sozialen Seite des Eigentums mit der gleichen logischen und juridischen Präzision vorzutragen, wie dies in „Quadragesimo anno“ geschah; immerhin verfehlt sie nicht, eigens zu erwähnen, das Eigentum habe „auch“ eine soziale Funktion (Tz, 119); der Sache nach besteht kein Unterschied, am allerwenigsten ein Rückschritt. Dem sonst so gern verteufelten Gemeineigentum bezeugt Johannes XXIII. geradezu auffällige Gunst.

Paul VI. in seiner Enzyklika zitiert das Zweite Vatikanische Konzil, das noch einmal mit aller Klarheit den Vorrang des Rechtes aller Menschen auf Nutzung der Erdengüter vor jedem anderen Recht, insbesondere auch vor dem Eigentumsrecht, ausgesprochen hat, und betont dies selbst eigens noch ein weiteres Mal (Tz. 22).

Daraus zieht er die für liberale Ohren alarmierende Folgerung, das Privateigentum sei „für niemand ein unbedingtes und unumschränktes Recht“ (Tz. 23). Wo ein Konflikt „zwischen den .wohlerworbenen Rechten des einzelnen und den Grundbedürfnissen der Gemeinschaft' “ entstehe, sei es Sache „der staatlichen Gewalt, ,unter aktiver Beteiligung der einzelnen und der Gruppen eine Lösung zu suchen'“ (ebda.). Wenn sich hier im Vergleich etwa mit „Quadragesimo anno“ etwas Neues findet, dann ist es nur der Einschub der gleichfalls vom Konzil übernommenen Worte „unter aktiver Beteiligung der einzelnen und der Gruppen“; das liegt zweifellos ganz im Sinne auch der früheren Dokumente (Sübsidlaritätsprlnzip!), ist dort aber nicht ausdrücklich formuliert. Neu ist also hier höchstens die Empfehlung an die Staatsgewalt, nicht einfach über die Köpfe hinweg das Nötige anzuordnen, sondern die Beteiligten und Betroffenen zur Mitwirkung heranzuziehen. Kein Grund zur Aufregung.

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