6751123-1967_28_12.jpg
Digital In Arbeit

Literatur über Weber

Werbung
Werbung
Werbung

Die Literatur über Max Weber („das Leben“ und „das Werk“) hat bereits eine kritische Grenze erreicht und nähert sich allmählich im Themendargebot jener Aspektenge, die man aus der deutschen Literaturgeschichte kennt. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang noch der nicht immer attraktiven Titel aus den verschiedenen Goethe-Jahren. Dazu kommt bei der Weber-Literatur, daß fast kein Autor den Mut zu einer kritischen Stellungnahme hat, so daß eine Art von Konformismus entsteht, der von Weber persönlich nie praktiziert wurde (in diesem Zusammenhang sei auf die Biographie von Marianne Weber hingewiesen). Gerade das, was Weber selbst stets abgelehnt hat, die Dogmatisierung von Thesen, widerfährt ihm nun posthum in einer erstaunlichen Weise. Fast niemand hat etwa den Mut, im Phänomen der Wertefreiheit vor allem den instrumentalen (methodenmonistisehen) Charakter er erkennen. Für viele ist die Wertefreiheit zum Höchstwert geworden und Mittel mit Zie.l identifiziert worden.

Trotz der Fülle der in den letzten Jahren produzierten Publikationen über Max Weber kann jedoch die vorliegende Arbeit des Kieler (nun in Bayern tätigen) Historikers — eine überarbeitete Dissertation —• als eine wertvolle Ergänzung der Interpretationen Weberschen Denkens bezeichnet werden, vor allem deswegen, weil der Autor die Darstellungsmethoden des „Meisters“ richtig als Deutungshypothesen und als weitreichende Strukturbegriffe erkennt (zwölf), etwa als abstrakt konstruierte Modelle, die in der historischen Wirklichkeit nicht vorkommen (123).

Anderseits vermochte Weber gerade durch seine gleichsam schöpferischen Deutungsversuche Wirklichkeitsstrukturen zu erkennen, weil er nicht auf der Suche nach Einzelheiten, die seine Hypothesen zu verifizieren gehabt hätten, die große Linie der Deutungsrichtung verloren hat.

Abramovski untersucht nun die historischen Hypothesen Webers zur Genesis des modernen Kapitalismus (die uns zum Beispiel Jakob Strieder in einer völlig anderen Weise mit der Akribie des Quellenforschers dargestellt hat) an Hand eines Eingehens auf seine religionssoziologischen Thesen.

Dabei wird vor allem die Darstellungsmethode Webers, der sich jeder Sinndeutung zu enthalten sucht, als kennzeichnend herausgestellt. Webers Bemühen, die Eigenart okzidentaler Geschichte, die in ihr ausgewiesene Rationalität, zu deuten, ist nur bei optimaler Abstraktion, also Distanz von Details möglich. Dies untersucht nun Abramovski im Bereich Weberscher geschichtlicher Deutungen, mit denen Weber die Vergegenständlichung von Ideen veranschaulichen will, etwa den Prozeß der Rationalisierung der Wirtschaft als Folge religiös deklarierter und in ökonomisches Verhalten transportierter Ideen.

Ebenso widmet der Verfasser seine Werkinterpretation Webers den Analysen der europäischen Stadt und des Bürgertums Europas. Schließlich befaßt sich Abramovski mit den Problemen der Rationalisierung der Administration der Gesellschaft mittels der Methoden der Bürokratie, um sein Werk mit einer Untersuchung der Chancen freiheitlicher Lebensgestaltung in einer von Weber prognostizierten, perfekt rationalisierten Welt zu beenden, in einer „entzauberten“ Welt, in der ein im privaten Leben, also jenseits des Katheders, stets engagiert gewesener (also wertender) Weber nicht er selbst hätte sein und „gegen den Strom“ hätte schwimmen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung