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Psyche und Person

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Die Psychologie des Mannes. Von Gustav Heinz G r a b e r. Gemeinschahsverlag Hans Huber, Bern, und Ernst Klett, Stuttgart. 1957. 320 Seiten. Preis 19.80 DM.

Hier hat sich der durch „Die Frauenseele“ und „Seelenspiegel des Kindes“ hervorgetretene Tiefenpsychologe der männlichen Psyche zugewendet und erhellt auf dem Weg aller Wandlungen von der Eigen- zur Wesensart die Hintergründe und Urgründe männlichen Seins und Strebens. Die gründliche, weitausgreifende Untersuchung umschließt Archetypen, Typen des Alltags und seelische Sonderformen. Graber stellt, mit dem Blick auf die Gegenwart und die Zukunft gerichtet, einen „männlichen Ich-Triumph und Selbst-Verlust sondersgleichen fest“. Bei dieser Feststellung erhält er durch den Psychiater J. Bo-damer Schützenhilfe. Dieser spricht im Buch „Mann von heute“ seinem „Männchen“ (im Sinne von lateinisch mas), „die Strenge gegen sich selbst, die Beherrschtheit und sittliche Härte, welche menschliche Autorität schaffen würde“ ab. (Seit der Aufklärung gibt es ja eine durchgehende Diffamierung der Autorität. Als berühmtes literarisches Beispiel steht dafür Diderots „Pere de famille“.) Solche, allerdings aus langfristiger Empirie gewonnenen Erkenntnisse schmerzen männliche Ohren. — Dennoch, hier werden harte Wahrheiten geschmiedet, an denen gemessen der große, frühreife Ruhmesredner der männlichen Psyche Otto Weininger nur, allerdings genial, Blech gehämmert hat. Ob sich nicht (S. 298) Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, überhaupt der Psychologie entzieht und selbst einer „Skizzierung des metapsychologischen Gesamtbildes Seines Erlösungserlebnisses“ entschlägt? Freilich, eine für den und die Gläubigen rein rhetorische, keine Antwort erheischende Frage.

Bios, Psyche, Person. Eine Einführung in die allgemeine Tiefenpsychologie. Von Igor A. Caruso. Verlag Karl Alber, Freiburg-München. 447 Seiten. Preis 22 DM.

Dieses, in Umfang und Inhalt gleichermaßen gewichtige sich selbst bescheiden eine „Einführung“ nennende Werk hat zum Autor den wohlbekannten Leiter des Wiener Arbeitskreises für Tiefenpsychologie Igor A. Caruso. Indes ist es auch eine Gemeinschaftsarbeit: Die Doktoren Edmund Frühmann, Sepp Schindler. Adalbert Wegeier und Karl v. Wucherer-Huldenfeld, Mitarbeiter des Arbeitskreises, haben die einzelnen Kapitel dergestalt kritisiert und redigiert, daß diese sokratische Arbeitsmethode der Untersuchung eine wohlabgewogene, nahtlose Rundung veilieh. Allesamt Könner, welche Althergebrachtes vor die kritische Sonde ihres Intellekts rückend, hier mit wissenschaftlicher Akribie ganze Abgründe ausleuchten, was vor ihnen die Heerscharen psychologischer Wünschelrutengänger nicht schafften. Beachtlich vor allem, daß die verschiedenen tiefenpsychologischen Systeme nicht nebeneinander behandelt, sondern im philosophischen Sinn problemgeschichtlich erhellt werden. Vorerst erfährt die Tiefenpsychologie (in Carusos Definition „die Wissenschaft des sinnvollen Verhaltens, welches durch das fortschreitende Bewußtsein bestimmt wird“) eine Betrachtung vom biologischen Aspekt, im zweiten Teil des Buches wird die Ontogenese des Personwerdens behandelt. Interessant ist des Verfassers Phänomenologie des Traumvollzuges mit dem Exkurs über die Trieblehre Freuds, die im Todestrieb gipfelt, während hier die Differenzierung des Lebenstriebes vertreten wird. Ueberhaupt scheint die scharflinsige Auseinandersetzung mit dem Freudschen „Ueber-ich“-Begriff der wesentlichste Abschnitt zu sein. Bei Freud, dem Carusot durchkultiviertes und wissenschaftliches Denken Gerechtigkeit zollt, wo Zoll angemessen erscheint, und Kritik dort, wo sich psychologische Prunkvasen des „letztens Puritaners“ (wie er den großen Forscher nennt) als auch dem Gesetze des Porzellans unterworfen erweisen, war das „Ueber-ich“ eine Art Joch mit negativen Vorzeichen gewesen. Eine Annäherung des „Ueber-ich“ an eine Funktion des Gewissens, aus welchem Grunde bleibe dahingestellt, gab es bei Freud nicht. Caruso nun fügt dem „Ueber-ich“ das persönliche Gewissen hinzu. Fürwahr, damit ist eine Tat gesetzt, denn das Abendland hat mit dem Gewisssen begonnen, mit ihm steht und fällt es. Die griechische Antike hat ja erstmals in das Gewissen, in die geheimnisvolle innere Stimme des somatischen Daimonion, die höchste kritische Instanz verlegt. Der zeitgenössische katholische Theologe Wünsch bringt die Deutung der Kirchenväter auf eine einprägsame Formulierung: das Gewissen als Einfallstor des göttlichen Willens, durch das die Ebenbildhaftigkeit Gottes in den Menschen einziehe. Man kann nun auch, um der Zustimmung Kants sicher zu sein, postulieren, im Gewissen lokalisiere sich der Grenz- und Berührungspunkt zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven, zwischen der Individualität und dem Absoluten. Caruso zeigt schließlich — last but not least — die Grenzen der Tiefenpsychologie auf, die Notwendigkeit ihrer Offenheit gegenüber den objektiven Werten, ja gegenüber der Religion. Maßte sie sich, statt Helfer zu sein, an, von sich aus allein das Ganze im Menschen aufzubauen, dann würde sie allerdings zur Gnosis. Ein wegweisendes Wort — ein wegweisendes Werk.

Genie ohne Erfolg. Von Rudolf E g e r. Benziger-Verlag, Einsiedeln. 291 Seiten. Preis 17.20 sfr.

„Die Geschichte, zu eilig, um gerecht zu sein, dient nur dem Erfolg. Nur die Leistung rühmt sie, nicht den kühnen, mit Unmut und Undank verfolgten Versuch. Einzig den Sieger hebt sie ans Licht, den Kämpfer wirft sie ins Dunkel.“ Diese Worte Stefan Zweigs gelten den glücklosen Erfindern, von deren tragischem Leben das informative, durch seltene Photographien bereicherte Buch handelt. Es ist ein Bericht über neun, heute oft zu Unrecht vergessene Pioniere der Technik, deren Erfindungen, ihr ureigenstes Geistesgut, anderen Ruhm und Reichtum, ihnen selbst Not und Undank, uns schließlich Bequemlichkeit und Nutzen brachten. Von den hier behandelten (Bauer — Unterseeboot, Lilienthal — Flugzeug, Drais — Fahrrad, Reis — Telephon, Trevithnik — Lokomotive, Marcus — Automobil, Ressel — Schiffsschraube, Madersperger — Nähmaschine, Mitterhofer — Schreibmaschine) sind die letzten vier Oesterreicher gewesen, die nicht etwa nur an der Ungunst der Zeit, sondern vielmehr an bürokratischer Engstirnigkeit und gouver-mentaler Trägheit gescheitert waren.

Sigmund Freud: Selbstdarstellung. Imago Publishing Co. LTD. 10 Nottingham Place, London.

Auch dieses Büchlein blickt auf eine lange Vorgeschichte zurück. Im Jahre 1925 ist es im vierten Band des Sammelwerkes „Die Medizin der Gegenwart in Selbstdarstellungen“ zum erstenmal erschienen. Die Bebilderung allerdings gibt einen bedeutenderen Einblick in die Entwicklung des Begründers der Psychoanalyse und gibt damit mehr als die früheren Ausgaben.

Selbstdarstellungen sind ähnlich problematisch wie Fremddarstellungen, nur in einer anderen Weise. Denn in einer gewissen Hinsicht ist einer seinen eigenen Motiven näher, in einer anderen Hinsicht ist er hiervon weiter entfernt als ein anderer. Sei aber die subjektive Problematik gegeben wie immer, so kann doch keiner, dem die Tiefenpsychologie ein ernstes Anliegen ist, an diesem Büchlein vorübergehen. Es zeugt ohne Zweifel vom hohen kritischen Ernst und dem echten Ringen um die Wahrheit bei diesem Mann, der zweifellos einer der folgenreichsten Wissenschaftler der gesamten Wissenschaftsgeschichte genannt zu werden verdient.

So braucht es nicht weiter empfohlen zu werden, für die Wichtigkeit des Büchleins spricht der Name des Autors schon für sich allein.

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