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Digital In Arbeit

Recht für die Richter!

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Es erschiene mir unhöflich, Ihre so dringliche Einladung, der Gewerkschaft beizutreten, unbeantwortet zu lassen; denn wenn es sich auch nur um ein Rundschreiben handelt, läßt seine Diktion erkennen, daß es sich Ihrerseits um eine Herzenssache und keine bloße Routineangelegenheit handelt. Insoweit deckt sich Ihr Anliegen mit dem meinen! Im übrigen muß ich aber zu meinem Bedauern den Beitritt weiterhin ablehnen, jedoch will ich im folgenden die mich leitenden gründe darzulegen versuchen.

Vorerst eine allgemeine Betrachtung: Der Zusammenschluß vieler bzw. möglichst aller Arbeitnehmer in einem wie immer benannten Zweckverband, nach Berufsgruppen untergeteilt, hat sich als eine heutzutage nicht mehr wegzudenkende Komponente unseres Gesellschaftslebens eingebürgert, und hier ist nicht der Ort, die Problematik des Entstehens, der Weiterentwicklung und der künftigen Aspekte dieser Erscheinung zu untersuchen. Daß auch die Staatsdiener im weitesten Sinne zu dieser Bewegung gestoßen sind — übrigens eine Besonderheit verhältnismäßig jüngeren Datums —, kann aber immerhin schon nicht mehr als so selbstverständlich angesehen werden, weil bekanntlich das Verhältnis zwischen dem Dienstgeber und Dienstnehmer, also das sogenannte öffentliche Anstellungsverhältnis, vielfach ganz andere Züge trägt als etwa in der Privatwirtschaft, vor allem gekennzeichnet dadurch, daß dem Beamten — wie der Name „öffentlicher“ sagt — in erster Linie Pflichten gegen die Oeffentlichkeit erwachsen und der eigentliche Dienstgeber daher, und weil es sich beim Staat nach vielfacher Anseht um dje. M?nifestier.ung eben der Oeffent-lichijgit hafldglfc nicht ssipfgefeie dort dem Dienstnehmer als Partner gegenübersteht.

Infolgedessen sind hier Bedenken möglich, die beim Beispiel des Richters nun kurz erörtert werden mögen: Wenn schon nicht sämtliche Beamtenkategorien, so doch fast zweifellos die Spitzen und vorzüglich die in ihrer Besonderheit hervorragenden richterlichen Beamten stellen wohl als sichtbarste Repräsentanten des Staates eben diesen weitgehend dar, welche Ueber-legung zu schweren Zweifeln an der Berechtigung zumindest der Richter, sich gewerkschaftlich zu organisieren, führen sollte. Dies insbesondere dann, wenn man erwägt, was der Zweck des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses für den einzelnen und den Berufsstand sein will! Soll ernstlich die Folge in Kauf genommen werden — und mag dieser Schritt immerhin schon da und dort erwogen worden sein —, daß Richter unter Umständen zu den sogenannten gewerkschaftlichen Kampfmitteln greifen? Ich sträube mich entschieden gegen die bloße Ventilierung dieser Konsequenz, die aber unausbleiblich wäre, würde man nicht von vornherein an eine Halbheit denken.

Dazu kommt die Situation unserer Zeit: wir befinden uns auf dem Marsch in den Kollektivismus. Die Richterschaft ist schon kraft (ich betone: kraft!) ihrer geringfügigen Zahl (etwa 1200 Köpfe zählt sie derzeit in ganz Oesterreich) davon ausgeschlossen, mit ihrem zahlenmäßigen Gewicht zu dominieren, sondern erscheint deshalb gerade prädestiniert — abgesehen von ihrer wesensmäßigen Bestimmtheit —, die Ausnahme darzustellen, jenen kleinen Block, der sich dem dahinwälzenden Strom als vom Zeitgeist unberührter Fels enthebt. Nicht zuletzt deshalb dürfte es Berechtigung haben, wenn von der Justiz als letzter Säule der Ordnung, der Rechtsstaatlichkeit, wie man heute sagt, gesprochen zu werden pflegt. Sie enthält sich, sie hält sich heraus, dominiert in des Wortes edler Bedeutung.

Und nun sagen Sie in Ihrer Einladung, der Zusammenschluß aller Richter in der Gewerkschaft sei unabdingbar notwendig, um gewissen Ansinnen der Regierung aus Anlaß der Schaffung eines Richterdienstgesetzes mit Erfolg entgegenzutreten. Vor allem hierzu der Einwand: Wo steht geschrieben, daß das Zustandekommen des Richterdienstgesetzes auf die meines Wissens bei Kollektivverträgen übliche Weise zu erfolgen habe, also indem sich zwei Partner, und zwar Dienstgeber und Dienstnehmervertre-tung, zusammensetzen und sich über den Text des künftigen Kollektivvertrages einigen? Sie sehen, ich melde bereits Bedenken dagegen an, daß — offenbar nicht nur ihrerseits — als selbstverständlich vorweggenommen wird, auch hinsichtlich des künftigen Richterdienstgesetzes handle es sich um eine Art Kollektivvertrag! Davon kann aber doch wohl schon angesichts der eminenten Bedeutung dessen, wie der Richter, in welcher Weise immer gesetzlich normiert, definiert und behandelt wird, um so weniger die Rede sein, als es sich beim Richterdienstgesetz um keine bloßen Besoldungsfragen handelt — ebensowenig um reine Standesangelegenheiten, vielmehr um die Regelung von Verhältnissen, die auf die gesamte Rechtspflege Einfluß haben müssen. (Ob es sich beim, dem Vernehmen nach, ebenfalls in Vorbehandlung stehenden Richterbesoldungsgesetz anders verhält, kann derzeit unentschieden bleiben.)

Und nun zum eigentlichen Kern Ihres Einladungsschreibens. In der Tat wirkt Ihre Mitteilung, daß seitens der Regierung allen Ernstes daran gedacht wird, im künftigen Richterdienstgesetz die Bestimmung zu verankern, daß künftighin die Dienstortversetzung der Richter auf kurzem Wege ermöglicht sein will, aufs erste alarmierend. Mit Recht werden Sie von dieser Bekanntgabe erwartet haben, daß sich — zumal bei der Richterschaft, wenn nicht auch in weiteren Kreisen — Empörung über diesen scheinbar eklatanten Bruch mit dem Geiste der Verfassung einerseits, aber vorzüglich mit allen Beteuerungen der maßgeblichen Stellen, also vor allem unseres Justizdepartements, regen wird, die geeignet sein könnte, bisherige Bedenken gegen einen gewerkschaftlichen Zusammenschluß hinwegzuspülen.

Denn hier, das ist jedem Einsichtigen klar, wird die Axt an den Kern des Stammes gelegt, wird die richterliche Unabhängigkeit vollends zur Farce gemacht, und daher erschiene es durchaus am Platze, ja ein Gebot nicht nur der Selbstverteidigung, sondern der Verteidigung der staatsbürgerlichen Grundrechte, eben deif auf unabhängige Gerichtsbarkeit, sich mit allen Mitteln zu wehren. Nun, einer nüchternen Betrachtung halten aber solche Gedankengänge vielleicht doch nicht stand: gerade, weil der erwähnte Bruch mit der Verfassung, mit den Grundrechten, mit allen Versprechungen und Beteuerungen der bisherigen Minister und Regierungsmitglieder so eklatant ist, kann es doch nicht Aufgabe der 1200 Richter sein, ihrerseits in die Bresche zu springen und den doch selbstverständlichen Reaktionen berufenerer Stellen, vor allem des Parlamentes, der Oeffentlichkeit, der Presse, vorzugreifen! Sie sagen in Ihrem Rundschreiben: „Ueberlegen Sie als Richter und Jurist die Tragweite dieser Bestimmung ...“ Ich erwidere darauf: Wenn angesichts einer solchen Möglichkeit — geschweige eines ernstlichen Versuches, auf kaltem Wege die richterliche Unabhängigkeit abzutun — nichts anderes erfolgen sollte, als daß sich die Gewerkschaft der öffentlich Bediensteten, Sektion Richter und Staatsanwälte,“ bremsend einschaltet — dann „Gute Nacht, Oesterreich!“

Aber über diese Bedenken hinaus noch folgendes: Gerade dadurch, daß — meiner bescheidenen Meinung nach — in so hochwichtigen, das ganze Volk berührenden Fragen nicht die Gewerkschaft, sondern das Parlament die Stelle sein muß, die einem derartigen Versuch die Spitze abbricht bzw. hier seine Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen haben wird, abgesehen davon fürchte ich, daß mit der Be-fassung durch die Gewerkschaft der guten Sache ein Bärendienst geleistet werden könnte; dies deshalb, weil mit dem Eingehen der Gewerkschaft auf Verhandlungen der Partner geschaffen ist, an den sich der Initiator des merkwürdigen Richterdienstgesetzes halten und auf den er sich in der Oeffentlichkeit und vor dem Forum des Parlaments berufen können wird, falls — wie ja die Gewerkschaft selbst zu befürchten erklärt — aus welchen Mängeln immer ihr Widerstand zu keinem Ergebnis führte! Daher: Hände weg von diesen Verhandlungen! Und wenn schon, dann besser eine, wie Sie sagen, bisher nur von verhältnismäßig wenigen Standeskollegen legitimierte, als eine solche Gewerkschaft, die im Namen.“der überwiegenden Mehrzahl zu sprechen befugt wäre. Wird dann das Prinzip der Partnerschaft, der Analogie zum Kollektivvertrag, aufrechterhalten, dann schlägt der Einwand durch, daß eine so wenige

Mitglieder aufweisende Stelle auch im Sinne der Kollektivv'ertragsgesetzgebung keinen ordentlichen Partner darstellte — und die Initiatoren des neuen Gesetzes müßten sich bequemen, mit allen außerhalb der Gewerkschaft stehenden Beruf sgenossen einzeln zu sprechen!

Es wäre noch manches zu diesem Thema zu sagen, doch mag vielleicht am besten mit einem Hinweis auf ein sehr aktuelles Thema aus jüngster Zeit abschließend demonstriert werden, wie schwerwiegend die Reinhaltung des Richterstandes von allen ihm seinem Wesen nach nicht gemäßen Jdeengut des sogenannten Fortschrittes in der Wirklichkeit zutage tritt: ich meine das Beispiel Ungarns, die erschütternde, aufwühlende Tragödie, die Justizkomödie um Nagy und Maleter, ihre Verurteilung und Justifizierung durch ein Gericht jenes Nachbarlandes, das in nicht allzu fernen Tagen durchaus berechtigt gewesen war, sich — was das Niveau der Rechtspflege anlangt — mit den Verhältnissen in Oesterreich zu messen. Man sieht, wohin es führt, wenn mit dem hohen Prinzip der Richterunabhängigkeit gespielt wird!

Ich weiß, daß ich viel verlange — immerhin bitte ich, meine Darlegungen ohne die Befürchtung zu erwägen, daß es mir darauf ankäme, Ihnen Mitglieder abspenstig zu machen oder den Beitritt neuer zu verhindern. So wie ich fiberzeugt bin von Ihrem redlichen Bemühen, 10 bitte ich auch Sie, fiberzeugt zu sein, daß nur das Wohl der Allgemeinheit, des Volkes, der Erhaltung unserer Kulturgüter und unseres Ansehens als Kulturnation mich treibt, Ihnen auf diesem Wege zu antworten.

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